Projekt: Geflüchtete in Sammelunterkünften vor Gewalt schützen

/ Forschung

Das DeZIM entwickelt eine App, die es ermöglicht, den Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften zu verbessern. Nun geht die Arbeit in die nächste Phase.

Infolge des Ukraine-Krieges haben viele Geflüchtetenunterkünfte ihre Kapazitätengrenzen erreicht. Wenn viele, einander fremde Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen, kann es schnell zu Konflikten kommen – unter Bewohner*innen, aber auch zwischen ihnen und Mitarbeitenden oder Sicherheitspersonal. Die Verantwortung dafür, das zu verhindern und alle Menschen in einer Sammelunterkunft bestmöglich vor Gewalt zu schützen, tragen die Betreiber. Aber wie kann der Gewaltschutz in der Praxis gelingen? Woran können Betreiber erkennen, in welchen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht?

Das DeZIM-Institut hat eine App entwickelt, die es ermöglicht, den Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften kontinuierlich zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Dabei knüpfte das Projekt-Team an die Gewaltschutz-Mindeststandards der Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" sowie an Vorarbeiten zur Indikatorenentwicklung von UNICEF im Kontext der Gewaltschutzinitiative an. Der digitale DeZIM-Gewaltschutzmonitor dient nicht nur zum einrichtungsspezifischen Monitoring. Er schafft auch die Grundlage dafür, bundesweit zu untersuchen, welche Herausforderungen beim Gewaltschutz bestehen. Unter anderem darum geht es in der nächsten Arbeitsphase, die jetzt beginnt und Ende 2024 abgeschlossen wird.

Wie der DeZIM-Gewaltschutzmonitor funktioniert

Mit dem digitalen DeZIM-Gewaltschutzmonitor können Betreiber von Geflüchtetenunterkünften einfach und regelmäßig messen, wie gut verschiedene Gewaltschutz-Maßnahmen aktuell umgesetzt sind und mit welchen Arten von Gewaltvorfällen sie konfrontiert sind.

Erfahrungen und Perspektiven aller relevanter Personengruppen werden aufgenommen

Das Besondere am DeZIM-Gewaltschutzmonitor ist: Er bezieht alle Personen aktiv mit ein, die in von Gewalt in einer Unterkunft betroffen sind bzw. aktiv in den Gewaltschutz involviert sind. Sowohl die Einrichtungsleitung, Gewaltschutzkoordinator*innen und Sozialarbeiter*innen als auch die Bewohner*innen und weitere relevante Personengruppen füllen regelmäßig eigens auf sie zugeschnittene Umfragen aus. Das gewährleistet, dass unterschiedliche Perspektiven auf und Erfahrungen mit Gewalt und Gewaltschutz berücksichtigt werden und in die Evaluation eingehen.

Visualisierung zeigt auf einen Blick, wie es um den Gewaltschutz in der Unterkunft bestellt ist

Die App visualisiert die aus den Umfragen gewonnenen Daten. So veranschaulicht sie, wo Verbesserungsbedarf besteht und wo eine Einrichtung bereits gut aufgestellt ist.

Konkret zeigt eine Netz-Visualisierung, wie umfassend jeder der sechs Gewaltschutz-Mindeststandards in den vergangenen vier Quartalen umgesetzt wurde.

Die Mindeststandards umfassen

  1. das einrichtungsinterne Schutzkonzept,
  2. Personal und Personalmanagement,
  3. interne Strukturen und externe Kooperation,
  4. Prävention und Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen/Risikomanagement,
  5. menschenwürdige sowie schützende und fördernde Rahmenbedingungen, sowie
  6. Monitoring und Evaluierung des Schutzkonzepts.

Ein hoher Wert zeigt eine besonders gute Umsetzung des jeweiligen Mindeststandards an und wird als Punkt am äußersten Rand des Netzes abgebildet. Ein geringer Wert bedeutet dagegen, dass Verbesserungsbedarfe bestehen. Er wird als Punkt im Inneren des Netzes dargestellt.

Das heißt: Je größer das aufgespannte Netz ist, desto umfassender ist der Gewaltschutz in der Unterkunft im jeweiligen Quartal.

Wo der DeZIM-Gewaltschutzmonitor im Einsatz ist

Seit 2021 kooperiert das DeZIM-Projektteam mit mehreren Bundesländern, die den DeZIM-Gewaltschutzmonitor für ihre Unterkünfte nutzen wollen. In bisher sieben Bundesländern werden für die dezentrale Nutzung eigene Versionen des Gewaltschutzmonitors installiert, die das Projektteam an die landesspezifischen Schutzkonzepte und regionalen Bedarfe angepasst hat. Die Unterkünfte in diesen Bundesländern können damit eine (quartalsweise) Selbstevaluation ihres Gewaltschutzes durchführen.

Das DeZIM-Projektteam begleitete den Implementierungsprozess des Gewaltschutzmonitors in den Bundesländern unter anderem mit Schulungen und Handreichungen, um eine verantwortungsvolle Auswertung und Analyse der Daten vorzubereiten.

Bundesweites Netzwerk soll Nachhaltigkeit gewährleisten

Aktuell etabliert das DeZIM-Projektteam ein bundesweites Netzwerk aus Unterkunftsbetreibern, Bundesländern und weiteren Gewaltschutz-Akteuren. Dieses soll dazu beitragen, dass sich das Gewaltschutzmonitoring in den Unterkünften verstetigt. Dazu fanden bislang zwei Online-Werkstattgespräche statt, die dem offenen Fachaustausch und der bundesweiten Vernetzung dienten. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie der Gewaltschutzmonitor in Geflüchtetenunterkünften in der Praxis eingesetzt wird, welche Chancen und Herausforderung sich aus der Nutzung ergeben und wie die Daten ausgewertet werden können.

So geht es mit dem DeZIM-Gewaltschutzmonitor weiter

Bis Ende 2024 wird sich das Projektteam darauf konzentrieren, die bestehenden Kooperationen mit den Bundesländern zu vertiefen und die Einführung des Gewaltschutzmonitors weiter zu begleiten. Insbesondere unterstützt es die Unterkünfte in den Datenerhebungen und wertet Teile der Daten anonymisiert und aggregiert aus. Auf dieser Grundlage wird das Team ein Konzept entwickeln, wie die Datennutzung bundesweit und nachhaltig verstetigt werden kann.

Letztendlich wird der DeZIM-Gewaltschutzmonitor dazu beitragen, quantifizierende, vergleichende Aussagen über die Umsetzung des Gewaltschutzes in deutschen Unterkünften treffen zu können. So lässt sich auf der Makroebene erfassen, vor welchen Herausforderungen Geflüchtetenunterkünfte grundsätzlich stehen und welche Gewaltschutzmaßnahmen besonders gut umgesetzt werden. Damit soll der DeZIM-Gewaltschutzmonitor Antworten auf die Frage liefern, unter welchen Bedingungen ein effektiver Gewaltschutz überhaupt möglich ist.

Hintergrund: Arbeit im Bereich Gewaltschutz am DeZIM-Institut

Die Arbeit des DeZIM-Instituts im Bereich Gewaltschutz erfolgt seit 2019 im Rahmen mehrerer, aufeinander aufbauender Forschungsprojekte. Sie wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Zentrale Partner sind neben der Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" verschiedene Pilotstandorte.

  1. Das erste Projekt "Monitoring und Evaluierung eines Schutzkonzeptes für geflüchtete Menschen in Flüchtlingsunterkünften" wertete 2019-2020 Schutzkonzepte für geflüchtete Menschen in Flüchtlingsunterkünften an zwei Standorten aus.
  2. Darauf aufbauend entwickelte und erprobte das Team die Gewaltschutzmonitor-App. 2021-2022 entwickelte das Team im Projekt "Monitoring und Evaluierung des Gewaltschutzes in Geflüchtetenunterkünften: Skalierung und Vertiefung" den DeZIM-Gewaltschutzmonitor für eine bundesweite Anwendung weiter und passt ihn an landes- und einrichtungsspezifische Rahmenbedingungen an. Zudem evaluierte es mit qualitativen Studien Schutzprozesse und Risiken, insbesondere zu bislang vernachlässigten Aspekten und gefährdeten Gruppen.
  3. Im Projekt "Gewaltschutzmonitoring in Geflüchtetenunterkünften: Verbreitung, Auswertung und Verstetigung" geht es nun in den Jahren 2023 und 2024 darum, die bestehenden Kooperationen mit den Bundesländern zu vertiefen, die Datenerhebungen in den einzelnen Unterkünften voranzutreiben und ein Konzept für die bundesweite nachhaltige Verstetigung der Datennutzung zu entwickeln.

Weitere Informationen

Kontakt

Für weitere Fragen zum Monitoring oder bei Interesse an der Verwendung des Tools wenden Sie sich an:

Sifka Etlar Frederiksen

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Abteilung Konsens und Konflikt

schutzmonitoring(at)dezim-institut.de

Kontakt

Für weitere Fragen zum Monitoring oder bei Interesse an der Verwendung des Tools wenden Sie sich an:

Dr. Maryam Rutner Wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung Konsens & Konflikt

E-Mail: rutner(at)dezim-institut.de
E-Mail: schutzmonitoring(at)dezim-institut.de