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Stellungnahme der Abteilung Migration des DeZIM-Instituts zur geplanten Reform des GEAS
Einleitung zur Stellungnahme:
Der Rat der Europäischen Union (EU) hat sich am 8. Juni 2023 in Luxemburg auf eine mehrheitlich getragene Verhandlungsposition zur Regelung der Asylpolitik geeinigt. Diese Position findet sich in zwei Vorschlägen für Verordnungen, die in den nächsten Monaten mit dem Europäischen Parlament verhandelt werden sollen. Mit diesem Kompromiss sollte der Jahre währende Stillstand um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) überwunden werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) twitterte am Abend des 8. Juni 2023 “Das ist ein historischer Erfolg - für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten.”
Tatsächlich scheint dieser Kompromiss viel eher ein Dammbruch als ein “Erfolg” für die Menschenrechte und es wird auch das Ziel von weniger Fluchtbewegung in Richtung Europa nicht einlösen können.
Die Regelungen zum Grenzverfahren, gewissermaßen der Kern des Kompromisses, bauen inhaltlich auf dem Gedanken der sogenannten Hotspots auf. Die Erfahrungen mit dem Hotspot-Ansatz auf den griechischen Inseln, insbesondere Moria, haben ganz klar die menschenrechtswidrigen Auswirkungen solcher Ansätze gezeigt. Künftig sollen alle Asylsuchenden, die sich an den Außengrenzen der EU befinden (z.B. nach Seenotrettung), bei ihrer Ankunft einem Grenzverfahren unterzogen werden. Während des Grenzverfahrens sollen die Personen in Lagern festgehalten werden. In Verbindung mit der weit gefassten Definition der Kategorie der hierzu verpflichteten Asylbewerber*innen besteht kein Zweifel daran, dass dies zu einer faktischen Inhaftierung und einer Anhäufung von Menschen an den Außengrenzen führen würde. Migrationsforscher*innen und Rechtsexpert*innen betonen immer wieder, dass unter diesen Bedingungen faire Verfahren schlicht unmöglich sind.
Außerdem sind die Grenzverfahren von einem verpflichtenden Solidaritätsmechanismus entkoppelt. Mitgliedstaaten können sich aussuchen, ob sie mit Relocations, finanziellen Beiträgen oder alternativen Solidaritätsmaßnahmen, wie die Entsendung von Personal oder Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten, beitragen.
Durch diese harte Gangart und Restriktionen sollen, so die Annahme, Menschen von einer “irregulären” Einreise in die EU abgeschreckt werden. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine Gründe für die Annahme, dass durch die vorgeschlagenen Verfahren weniger Menschen versuchen werden, nach Europa zu kommen. Diese Haltung offenbart vielmehr ein eklatantes Missverständnis davon, wie Flucht- und Migrationsentscheidungen zustande kommen. Schutzsuchende fair zu behandeln ist kein „Pull-Faktor“, sondern eine Frage der Menschlichkeit. Der einzige wirklich erwartbare Effekt ist, dass die Bedingungen für viele der ankommenden Menschen dramatisch verschlechtert werden und umso mehr Verantwortung auf die Länder an den EU-Außengrenzen geladen wird.
Die Abteilung Migration hatte Ende März eine detaillierte Stellungnahme zu den Reformplänen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung abgegeben. Diese nachfolgend im Originaltext.