Publication type: Working/Discussion Paper

Diskriminierungsschutz zwischen Kontinuität und Wandel

Subtitle: Reformdebatten zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz 2006–2022

Authors: Bartsch, Samera; Aalders, Sophia Publication year: 2023

Abbildung Cover der Publikation

  • Nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 sind die Debatten darüber nicht abgeflaut, wie der rechtliche Diskriminierungsschutz in Deutschland verbessert werden sollte. In der Zwischenzeit ist die Landschaft der zivil-gesellschaftlichen und staatlichen Akteure, die zu Antidiskriminierungsthemen arbeiten und sich mit Forderungen und Empfehlungen einbringen, dynamisch gewachsen.
  • Zivilgesellschaftliche Akteure und staatliche Stellen, die zu Antidiskriminierungsthemen arbeiten, weisen einhellig darauf hin, dass die größten Defizite des AGG in den Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung, den Sanktionsregelungen und dem rechtlichen Diskriminierungsschutz in den Bereichen staatlichen Handelns, Wohnraum und Gesundheit liegen. Die Akteure wollen erreichen, dass Menschen besser vor Diskriminierung geschützt sind.
  • Zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure, die zu Antidiskriminierungsthemen arbeiten, formulieren seit 2006 wiederholt Empfehlungen zur Weiterentwicklung des AGG. Ihre zentralen Reformvorschläge knüpfen an Punkte an, die bereits in der Entstehungs-phase des AGG diskutiert und damals nicht aufgenommen wurden. Ein breiter Konsens besteht über die Forderungen, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf staatliches Handeln auszuweiten, Ausnahmeregelungen einzuschränken, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stärken und die Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung zu verbessern, etwa durch ein Verbandsklagerecht, längere Fristen und Vereinfachungen in der Beweislastregelung.
  • Wirtschaftsakteure bewerten die vorhandenen Regelungen und den rechtlichen Diskriminierungsschutz in verschiedenen Lebensbereichen überwiegend als ausreichend. Allerdings zeigen sie sich teilweise offen für die Forderungen, das AGG auf staatliche Stellen auszuweiten und Antidiskriminierungsberatungsstellen auszubauen. Im Kern wollen sie Betriebe vor weiterer Regulierung schützen.
  • Das im Koalitionsvertrag von 2021 festgehaltene Ziel der Ampel-Koalition, das AGG zu novellieren, bietet die bisher größte Gelegenheit für eine grundsätzliche Reform seit Inkrafttreten des Gesetzes. Bei dem aktuellen Reformprozess ist zu erwarten, dass die Positionen von zivilgesellschaftlichen Akteuren und staatlichen Stellen, die zu Antidiskriminierung arbeiten, auf der einen und von Wirtschaftsakteuren auf der anderen Seite teilweise unvereinbar sein werden. Entscheidend für den Ausgang des Reformprozesses wird sein, wie stark die Widerstände von Reformgegner*innen sein werden, wie die politischen Entscheidungsträger*innen den Interessenskonflikt aushandeln und wessen Interessen sie priorisieren.
ISBN: 978-3-948289-52-2
Bartsch, Samera; Aalders, Sophia (2023): Diskriminierungsschutz zwischen Kontinuität und Wandel: Reformdebatten zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz 2006–2022. DeZIM Working Papers 1, Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).