Hunderttausende Menschen in Deutschland haben sich bereiterklärt, Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine privat unterzubringen. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat untersucht, wer Geflüchtete aufgenommen hat, welche Erfahrungen die Unterbringenden machen und auf welche Hürden sie stoßen. In Zusammenarbeit mit der Plattform #UnterkunftUkraine wurden bis Ende Juli 2022 über 3.000 Personen befragt. Die Ergebnisse erscheinen heute im Bericht „New platforms for engagement: Private accommodation of forced migrants from Ukraine“.
Bereits bei vergangenen Fluchtbewegungen haben Privatpersonen Geflüchtete bei sich zuhause aufgenommen. Durch digitale Plattformen gewinnt diese Engagementform aktuell jedoch erheblich an Reichweite: Alleine auf der Plattform #UnterkunftUkraine haben bis September 2022 48.800 Menschen eine Unterkunft vermittelt, über 160.000 Personen haben dort ihren Wohnraum angeboten. Und die Mehrheit der befragten Unterbringenden (58%) hat sich noch nie zuvor für Geflüchtete engagiert.
„Wir sehen hier eine erhebliche Neuaktivierung von Menschen, die jetzt zum ersten Mal Geflüchtete unterstützen“, sagt Prof. Dr. Sabrina Zajak, Leiterin der Abteilung Konsens & Konflikt am DeZIM-Institut und Co-Autorin des Berichts. „Private Unterbringung hat das Potential, sich als neue Form des Engagements zu etablieren. Allerdings brauchen die Unterbringenden und auch die Geflüchteten dringend Unterstützung.“
Menschen, die Unterkünfte anbieten, sind überwiegend weiblich (63% der Befragten), leben in einer Stadt und haben viel Platz sowie ein separates Zimmer (75% der Befragten stehen über 100m² Wohnraum zur Verfügung). Ihre zentrale Motivation ist es, „handfeste“ Hilfe zu leisten, die über Geld- oder Sachspenden hinausgeht.
Mehrheitlich positive Erfahrungen und überwältigende Bereitschaft, künftig erneut Geflüchtete aufzunehmen
Eine überwältigende Mehrheit der Befragten sagt, dass sie positive Erfahrungen damit gemacht hat, Geflüchtete bei sich zuhause unterzubringen (82%). Wenn die Unterbringung endete, dann vor allem, weil eine andere Unterkunft gefunden wurde (55%). In fast 20% der Fälle wurde die Unterbringung jedoch wegen mangelnder Unterstützung, unpassender Wohnsituation oder zwischenmenschlicher Konflikte beendet. 80% der Befragten würden erneut Geflüchtete bei sich aufnehmen – darunter auch Personen, die weniger positive Erfahrungen gemacht haben.
Gleichzeitig sind noch viele Probleme ungelöst, beispielsweise, was den weiteren Verbleib der Geflüchteten nach der Unterbringung anbelangt.
„Private Gastgebende müssen mehr Unterstützung erhalten“, sagt Georgia Homann, Projektleiterin bei #UnterkunftUkraine. „Insbesondere mit Blick auf den bevorstehenden Winter gilt es, bürokratische Hürden zu beseitigen und digitale Lösungen weiterzuentwickeln. Nur so können wir das Potential privater Unterbringung nutzen, das die Studie aufgezeigt hat.“
Der vollständige Bericht „New platforms for engagement: Private accommodation of forced migrants from Ukraine“ ist abrufbar unter: www.dezim-institut.de/studie-privatunterbringung-gefluechtete