- Startseite/
- Presse/
- Pressemitteilungen/
- Viel Solidarität und hohe Aufnahmebereitschaft. Erste Ergebnisse einer Schnellumfrage des DeZIM-Instituts zum Krieg in der Ukraine
Viel Solidarität und hohe Aufnahmebereitschaft. Erste Ergebnisse einer Schnellumfrage des DeZIM-Instituts zum Krieg in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine sorgt in den direkten Nachbarländern für eine beeindruckende Hilfsbereitschaft und Solidarität. Aber auch in Deutschland können wir nach der ersten Woche Krieg eine hohe Willkommensbereitschaft erkennen. Das zeigt eine Schnellumfrage des DeZIM-Instituts.
Wir haben im Rahmen unseres DeZIM.panels untersucht, (1) wie die Menschen in Deutschland zu der Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine in Deutschland stehen, (2) welche Reaktionen sie sich von der deutschen Politik gegenüber Russland wünschen und (3) wie sie persönlich auf den Krieg reagieren. Wir haben also nach gesellschaftlichen, politischen und persönlichen Reaktionen gefragt. Dazu wurden zwischen dem 28. Februar und dem 4. März bundesweit bereits fast 2.500 Menschen befragt.
Hilfsbereitschaft unabhängig vom Hintergrund
Eine große Mehrheit von über 90 Prozent aller Menschen in Deutschland ist dafür, Flüchtende aus der Ukraine in Deutschland aufzunehmen. Mehr als die Hälfte aller Menschen in Deutschland kann sich vorstellen, für diese Menschen selbst Geld zu spenden oder sich ehrenamtlich für sie zu engagieren. Jede*r Vierte gab sogar an, bereit zu sein, geflüchtete Menschen aus der Ukraine vorübergehend im eigenen Zuhause aufzunehmen. Bei Menschen mit eigener Migrations- und Fluchterfahrung ist die Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine vorübergehend im eigenen Zuhause aufzunehmen und sich ehrenamtlich zu engagieren, besonders stark ausgeprägt.
„In der deutschen Bevölkerung gibt es viel Solidarität und viel Hilfsbereitschaft – unabhängig davon, ob Menschen über eine eigene Migrationsgeschichte verfügen oder nicht. Das zeigt sich in der ersten Woche des Kriegs in der Ukraine ganz deutlich“, sagt Dr. Jörg Dollmann, Leiter des Forschungsdatenzentrums DeZIM.fdz am DeZIM-Institut.
„Die hohe Willkommensbereitschaft erinnert an die historischen Tage der Willkommenskultur im Sommer 2015, als vor allem aus Syrien viele Menschen in Deutschland Zuflucht suchten und fanden. Diese positive Stimmung gegenüber den Geflüchteten und ihren Schicksalen wurde damals diskursiv recht schnell von rechten Debatten überlagert“, sagt Prof. Dr. Naika Foroutan, Direktorin des DeZIM-Instituts. „Es bleibt zu hoffen, dass daraus ein Lernprozess entstanden ist, damit die aktuelle Stimmung gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine anhält und sich die Berichterstattung über sie nicht akut dreht. Der Standard, der gegenüber den ukrainischen Flüchtenden nun angelegt wird, sollte den Maßstab für einen zivilgesellschaftlichen und politischen Umgang mit allen Flüchtenden bilden und zu einer Reform der Grenz- und Asylpolitik führen.”
Wer ist für den Krieg verantwortlich?
Die Verantwortung für den Krieg in der Ukraine sehen mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland bei der russischen Regierung. Eine breite Mehrheit spricht sich für mehr Diplomatie aus, um den Krieg zu beenden. Eine deutliche Mehrheit unterstützt aber auch wirtschaftliche Sanktionen – selbst wenn diese dazu führen können, dass die eigenen Lebenshaltungskosten steigen. Knapp drei Viertel der Befragten sind zudem dafür, dass westliche Staaten der Ukraine Waffen und militärische Güter liefern, wie dies am letzten Wochenende auch vom deutschen Bundestag beschlossen wurde. Eine große Mehrheit von über zwei Dritteln der Befragten ist aber dagegen, dass westliche Staaten selbst in diesem Krieg militärisch eingreifen. Bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte fällt die Ablehnung militärischer Interventionen etwas geringer aus. Die Ukraine in die Europäische Union aufzunehmen, wie es das Land in dieser Woche beantragt hat, wird von etwa 60 Prozent aller Menschen in Deutschland befürwortet.
„Die deutsche Politik kann im Moment auf einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung bauen“, ergänzt Prof. Dr. Frank Kalter, Direktor des DeZIM-Instituts. „Eine Mehrheit wünscht sich eine diplomatische Lösung des Konflikts. Aber viele sind auch für wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland, wie sie gerade beschlossen wurden. Und nicht wenige sprechen sich sogar dafür aus, Waffen und militärische Güter an die Ukraine zu liefern. Diese Entscheidungen werden also von einer Mehrheit der Menschen in Deutschland unterstützt.“
Manche Menschen empfinden Panik
Gefragt, wie sie sich angesichts des Kriegs in der Ukraine fühlen, gab etwas mehr als die Hälfte der Befragten an, in der vergangenen Woche immer oder fast immer besorgt oder verärgert gewesen zu sein. Knapp jede*r Zehnte sagte sogar, er oder sie habe sich immer oder fast immer panisch oder hoffnungslos gefühlt. Dies gilt im besonderen Maße für Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte, ganz gleich ob mit eigene Fluchterfahrung oder nicht: sie haben sich in der vergangenen Woche häufiger panisch gefühlt als Menschen ohne Migrationsbiografie. Diese Gefühlslage kann durch die starke mediale Berichterstattung und Bezüge zur eigenen Biografie hervorgerufen werden.
„Der Krieg in der Ukraine treibt viele Menschen um und versetzt sie in Sorge. Das gilt für Migrant*innen wie für Menschen ohne Migrationshintergrund“, fügt PD Dr. Sabrina Mayer, Leiterin des Forschungsdatenzentrums DeZIM.fdz am DeZIM-Institut und Professorin für Politische Soziologie an der Universität Bamberg hinzu. „Wir sollten aber auch sorgsam verfolgen, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine auf gesellschaftliche Einstellungen gegenüber Menschen aus Russland haben wird. Auch wenn Teile der russischen Bevölkerung heute Putins Krieg unterstützen, sollten wir Menschen aus Russland deswegen nicht unter Generalverdacht stellen. Anti-russische Ressentiments machen sich schon jetzt bemerkbar. Sie dürfen sich nicht verfestigen.“
Weitere Informationen zum Projekt und Grafiken zum Download unter Aktuelles:
aktuelles/aktuelles-detail/viel-solidaritaet-und-hohe-aufnahmebereitschaft-schnellumfrage-und-working-paper-zum-ukraine-krieg
Datensatz zur Schnellbefragung „Ukraine-Krise“: Dollmann, Jörg; Mayer, Sabrina Jasmin; Lietz, Almuth; Köhler, Jonas; Siegel, Madeleine (2022): Erste Kurzbefragung des DeZIM.panel: Ukraine-Krieg 2022. Version: 1.0.0. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie basieren auf einer Schnellumfrage des Deutschen Zentrums für Integration und Migrationsforschung (DeZIM), die im Rahmen des DeZIM Online Access Panels erhoben wurden. Das DeZIM.panel ist ein offline generiertes, zufallsbasiertes Online Access Panel, das seit 2021 seine Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen viermal im Jahr und zusätzlich anlassbezogen zu aktuellen Themen online befragt. Die Daten dieses Berichts beziehen sich auf eine Schnellbefragung, die online vom 28. Februar (12:00) bis zum 4. März (8:00 Uhr) 2022 erhoben wurden. Bis zum 4. März haben 2.471 Personen an der Befragung teilgenommen. Im Panel sind Menschen mit Migrationshintergrund überrepräsentiert, etwa 35 Prozent unserer Befragten hatten einen Migrationshintergrund (erste und zweite Generation). Die Daten sind gewichtet, um die unterschiedlichen Auswahlwahrscheinlichkeiten der verschiedenen Gruppen zu berücksichtigen. Die Fragen in Grafik 1 und Grafik 2 wurden auf siebenstufigen Ratingskalen erhoben, von denen nur End- und Mittelkategorien ausgewiesen waren. Die Antwortskalen waren „Lehne ich stark ab“ – „Befürworte ich stark“ für die Fragen zur Aufnahme von Flüchtlingen in Grafik 1 sowie den Fragen in Grafik 2, sowie „Kann ich mir sehr gut vorstellen“ - „Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen“ für die drei anderen Fragen in Grafik 1. Weitere Auswertungen und ein detaillierter Report werden voraussichtlich am 14. März 2022 auf der Projektwebseite veröffentlicht.
ÜBER DAS DEZIM-INSTITUT
Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) forscht zu Integration und Migration, zu Konsens und Konflikten, zu gesellschaftlicher Teilhabe und zu Rassismus. Es besteht aus dem DeZIM-Institut und der DeZIM-Forschungsgemeinschaft. Das DeZIM-Institut hat seinen Sitz in Berlin-Mitte. In der DeZIM-Forschungsgemeinschaft verbindet sich das DeZIM-Institut mit sieben anderen Einrichtungen, die in Deutschland zu Migration und Integration forschen. Das DeZIM wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.