Die Bundesregierung will die Demokratie fördern und dem Extremismus vorbeugen. Das Programm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie erreichen Modellprojekte, die in diesem Programm gefördert werden, ihre Zielgruppen? Wie werden Zielgruppen eingebunden, die strukturell oder sozial benachteiligt beziehungsweise von Diskriminierung betroffen sind? Diesen Fragen sind Forschende des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) nachgegangen. Die Ergebnisse veröffentlich das DeZIM-Institut in einem Project Report.
Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gliedert sich in drei zentrale Handlungsfelder, die nach deren Zielen benannt sind: „Demokratie fördern“, „Vielfalt gestalten“ und „Extremismus vorbeugen“. In diesem Rahmen fördert die Bundesregierung unter anderem so genannte Modellprojekte, die neue Ansätze verfolgen, deutschlandweit von zivilgesellschaftlichen Organisationen als Träger durchgeführt und für jeweils fünf Jahre gefördert werden. Im Januar 2020 startete eine neue Förderphase des Bundesprogramms. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) förderte in dessen erstem Jahr 2020 im Bereich „Vielfalt gestalten“ 68 zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in ihren Modellprojekten mit verschiedenen Formen von Diskriminierung und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auseinandersetzen, die Anerkennung von Vielfalt fördern und sich für ein diskriminierungsfreies Miteinander engagieren.
Mit qualitativen und quantitativen Methoden
Wissenschaftler*innen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) haben untersucht, wie diese Modellprojekte ihre Zielgruppen erreichen und einbinden, auf welcher konzeptionellen Grundlage dies geschieht und wie sie ihre Maßnahmen umsetzen. Zunächst analysierten sie die Beschreibungen der Projekte, die von den Organisationen selbst eingereicht wurden. Anschließend führten sie mit den Mitarbeitenden dieser Projekte leitfadengestützte Telefon- bzw. Online-Interviews sowie eine Online-Befragung durch. Dabei ging es um die Konzeption und Umsetzung der Projekte sowie deren Methoden und Wege, ihre Zielgruppen zu bestimmen, anzusprechen, zu erreichen und an sich zu binden. Die Forscher*innen fragten auch danach, ob und wie Zielgruppen partizipativ in verschiedene Phasen der Projektarbeit einbezogen werden und welche Rolle Regelstrukturen spielen. Zuletzt veranstalteten die Wissenschaftler*innen mit den Projektbeteiligten und Expert*innen einen Workshop zu der Frage, wie sie ihre Zielgruppen erreichen – also Familien, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, Menschen, die in den Regelstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten sowie zivilgesellschaftliche Akteure und Multiplikator*innen, die mit ihnen verbunden sind? Mit welchen Herausforderungen haben sie zu kämpfen, welche Faktoren führen zum Erfolg?
Partizipation und vielfältige Teams führen zum Erfolg
„Die Modellprojekte, die wir untersucht haben, nutzen vielfältige Strategien, um ihre Zielgruppen zu erreichen. Diese Zielgruppen sollten aber von Beginn an gleichberechtigt beteiligt und einbezogen werden, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen. Außerdem sollten die Projektteams divers besetzt werden. Unsere Studie zeigt: das trägt wesentlich zu ihrem Erfolg bei“, sagt Dr. Mirjam Weiberg, Leiterin der Fachgruppe „Demokratieförderung und demokratische Praxis“ am DeZIM-Institut. „Um erfolgreiche Modellprojekte durchzuführen, müssen sich zivilgesellschaftliche Organisationen mit anderen Trägern im Handlungsfeld austauschen, mit Regelstrukturen zusammenarbeiten und Netzwerke aufbauen. Das ist allerdings sehr aufwändig und bindet viele Ressourcen.“
„Die meisten der Modellprojekte, die wir untersucht haben, konnten trotz der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 erfolgreich starten und mit ihren Aktivitäten viele Zielgruppen ansprechen. Das ist bemerkenswert“, fügt Dr. Olaf Kleist hinzu, Co-Leiter der Fachgruppe und Mitautor des Project Reports. „Die meisten Träger*innen bringen bereits vielfältige Erfahrungen und Netzwerke mit. Es sollten aber zusätzliche Anreize geschaffen werden, um ihnen zu helfen, strukturell und sozial benachteiligte oder von Diskriminierung betroffene Zielgruppen noch besser zu erreichen. Außerdem sollte es für die Träger*innen der Projekte begleitende Schulungen und Fortbildungen geben, um sie dabei zu unterstützen, schwer erreichbare Zielgruppen besser ansprechen zu können.“
Der DeZIM Project Report #05/22 „Zielgruppenorientierung und Zielgruppenerreichung in der Demokratieförderung. Schwerpunktbericht der Wissenschaftlichen Begleitung der Modellprojekte im Handlungsfeld ‚Vielfaltgestaltung‘ im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ des BMFSFJ“ wurde von der Fachgruppe „Demokratieförderung und demokratische Praxis“ am DeZIM-Institut verfasst und ist hier abrufbar.