NaDiRa-Kurzstudie: Alltagsrassismus aus Sicht der Betroffenen

"Woher kommst du eigentlich?" – Exploration untererforschter Erfahrungen von Alltagsrassismus offline und online

Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor

Laufzeit Oktober 2020 bis Dezember 2020
Status Abgeschlossenes Projekt

Projektteam:

  • Marvin M. Brinkmann
  • Frederic Gerdon
  • Simon Kühne
  • Liva Aydin
  • Melina Welt
  • Ben Fritsche

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Projektbeschreibung:

Bisher gibt es nur wenige systematisch erhobene Daten, die vergleichen, welche Menschen von welcher Art von Diskriminierung betroffen ist. Wir haben im Zeitraum Dezember 2020 bis Januar 2021 in einer Online-Umfrage knapp 1.800 Menschen mit Migrationsgeschichte danach befragt, wie sie selbst migrationsbezogene Diskriminierung wahrnehmen. Alle Befragten wohnten in Deutschland und waren mindestens 18 Jahre alt. Die Befragung erlaubt den Vergleich verschiedener Gruppen, ist aber nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragbar, da es sich nicht um eine Zufallsstichprobe handelt.

Ergebnisse:

Menschen mit Migrationsgeschichte berichten von unzähligen Diskriminierungserfahrungen – deutlich mehr, als das „klassische“ Befragungsinstrument, der European Social Survey, erfasst. Am häufigsten gehen Betroffene mit Diskriminierung um, indem sie diese ignorieren. Die Interviewpartner*innen berichteten auch ausdrücklich über intersektionale Diskriminierung, die sie beispielsweise als Schwarze Person und als Frau erleben. Je jünger eine Person ist, desto eher berichtet sie von Diskriminierungserfahrungen.

Die befragten Personen schildern unterschiedlich viele und unterschiedlich gelagerte Diskriminierungserfahrungen – auch abhängig von ihrem Herkunftsland. Beispielsweise geben Befragte mit türkischer Migrationsgeschichte besonders viele Diskriminierungserfahrungen an, insbesondere dann, wenn sie Bildungsaufsteiger*innen sind oder der zweiten Migrationsgeneration angehören. Damit unterstreichen unser Ergebnis, dass die Gruppe der Menschen mit Migrationsgeschichte heterogen ist und Unterschiede und Ungleichheiten berücksichtigt werden müssen.

Überraschende Einsichten:

Überraschend ist, dass sich Migrant*innen aus der ersten Generation durch die Frage, woher sie kommen, eher diskriminiert fühlen als jene aus den folgenden Generationen. In offenen Fragen nennen die Teilnehmenden sehr häufig „Schule“, „Lehrer*innen“, „Polizei“ und „Arbeit“ als Orte an und Akteur*innen von denen sie diskriminiert werden. Physische Gewalt ist sehr präsent im Zusammenhang mit Diskriminierung und Rassismus. Befragte erleben Rassismus nahezu gleichermaßen durch Deutsche wie durch andere Migrant*innen.

Bedeutung für die Praxis:

Insbesondere die Umfrageforschung kann unsere Daten nutzen, um Diskriminierungserfahrungen besser und detaillierter zu erfassen. Zudem können die Daten für weitere explorative Forschung genutzt werden, die auf die Perspektive von (potenziell) Diskriminierten in Deutschland fokussiert und so auf die gelebten Erfahrungen dieser Menschen aufmerksam macht.

Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:

Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:

  • Gesundheitssystem
  • Bildungssystem und Arbeitsmarkt
  • Institutioneller Rassismus
  • Umgang mit Rassismuserfahrungen
  • Teilhabe und Medien
  • Rassistische Ideologien und Einstellungen

Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)