NaDiRa-Kurzstudie: Antiziganismus messen
Die empirische Erfassung von Antiziganismus als eigenständige Form des Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja – Entwicklung und Durchführung einer Pilotstudie
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor
Projektteam:
- Susanne Pickel
- Toralf Stark
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Projektbeschreibung:
Bisher war es nicht möglich, das wirkliche Ausmaß des Antiziganismus und der Ressentiments gegenüber Sinti*zze und Rom*nja zu erheben. Daher stellten sich für dieses Forschungsprojekt die Fragen: Wie lassen sich Antiziganismus, Rassismus und gruppenbezogene Vorurteile gegenüber Sinti*zze und Rom*nja adäquat, valide und verlässlich messen? Welche Einstellungen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja lassen sich aktuell beobachten und was sind die Ursachen für Rassismus und gruppenbezogene Vorurteile?
Ergebnisse:
Unsere Studie zeigt, dass in Deutschland antiziganistische Einstellungen in beachtlichem Umfang existieren. Diese teilen sich in verschiedene Dimensionen auf und tragen so zur rassistischen Diskriminierung von Sinti und Roma bei.
Zudem weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft vielschichtig sind: Bei knapp 25 % der Teilnehmenden bestand ein Bewusstsein dafür, dass Sinti und Roma benachteiligt und diskriminiert werden. Daneben existieren die bekannten negativen Einstellungen gegenüber der Minderheit (Vorurteile, Romantisierung, Kriminalisierung, ca. 30 % der Nennungen).
In zirka 12 % der Nennungen werden Sinti und Roma, obwohl sie in Deutschland eine anerkannte Minderheit sind, nicht als Teil der deutschen Gesellschaft wahrgenommen. Vielmehr werden sie als Osteuropäer oder als Geflüchtete identifiziert. Die Vorurteile von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft sind also auch verknüpft mit ihren Einstellungen zum Thema Migration von Bürger*innen aus Osteuropa nach Deutschland.
Überraschende Einsichten:
In früheren Studien zum Antiziganismus wurde noch mit der verunglimpfenden Fremdbezeichnung „Z.“ als Synonym für Sinti und Roma gearbeitet. Die Ergebnisse spiegeln daher eine mit diesem Begriff verbundene Vorurteilsstruktur wider. Wird das Wort „Z.“ wie in unserer offenen Befragung vermieden, zeigen sich komplexere Einstellungen gegenüber Sinti und Roma als in bisherigen Erhebungen.
So fragten wir beispielsweise: „Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Sinti und Roma denken?“ Neben bekannten negativen Stereotypen und Vorurteilen erfassten wir auch eine Reihe positiver Konnotationen und weniger vorurteilsbehaftete Einstellungen. Zudem zeigten knapp 25 % der Befragten ein Bewusstsein für die Diskriminierung der Sinti und Roma. Dies umfasst sowohl die historische Verfolgung zu Zeiten des Nationalsozialismus als auch aktuelle Ausgrenzung und Benachteiligung.
Bedeutung für die Praxis:
Unsere Forschungsergebnisse können als Grundlage für Politikempfehlungen dienen und die Diskriminierungsprävention unterstützen. Da sie zwischen verschiedenen Formen von Vorurteilen im Rahmen des Antiziganismus unterscheiden, ermöglichen sie einen zielgenauen Einsatz für zivilgesellschaftliche Arbeit sowie in der politischen, schulischen und universitären Bildung.
Beispielsweise setzen wir unsere Ergebnisse bereits in der universitären Lehramtsausbildung ein: Wir haben eine Vorlesungsstunde (90 Minuten) zum Thema Antiziganismus konzipiert, die Teil der Einführung in die Politikwissenschaft ist. Zudem planen wir das Verbundprojekt „Tools für Teilhabe von Sinti und Roma für Schule und Verwaltung“, das ebenfalls auf unseren Ergebnissen aufbaut.
Publikationen:
- Pickel, Susanne & Stark, Toralf (2022): Antiziganismus als eigenständige Form des Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja: Ergebnisse einer Pilotstudie zur mehrdimensionalen Erfassung antiziganistischer Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft. NaDiRa Working Papers 3, Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:
Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:
- Gesundheitssystem
- Bildungssystem und Arbeitsmarkt
- Institutioneller Rassismus
- Umgang mit Rassismuserfahrungen
- Teilhabe und Medien
- Rassistische Ideologien und Einstellungen
Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)