NaDiRa-Kurzstudie: Gruppendenken in der Pandemie
Welche Gruppen die Deutschen für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich machen
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor
Projektteam:
- Tamara Bogatzki
- Julia Stier
- Jana Glaese
- Julia Forke
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Projektbeschreibung:
Das Projekt untersuchte zwei Fragen: Welche Gruppen machen Menschen in Deutschland für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich? Und können wir vorhersagen, welche Gruppen eine Person verantwortlich macht, wenn wir wissen, welche Einstellungen sie hat und was aktuell in den Medien diskutiert wird? Um all das zu beantworten, nutzten wir Daten einer laufenden, repräsentativen Umfrage, die vom Forschungsschwerpunkt Migration und Diversität des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführt wird. Die Umfrage enthält die offene Frage, welche drei Gruppen aus Sicht der Teilnehmenden hauptverantwortlich für die Pandemie sind.
Ergebnisse:
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Pandemie zwar vorübergehend beeinflusst hat, von welchen ethnischen Gruppen Menschen sich abgrenzen. Aber insgesamt scheint die Pandemie gesellschaftliche Abgrenzungsmuster nicht stark verändert zu haben. Stattdessen ist eine rechte politische Orientierung der statistisch zuverlässigste Prädiktor dafür, ob eine Person eine ethnische Gruppe als Pandemie-Verursacherin nennt.
Am deutlichsten wird dies, wenn man Unterstützer*innen der AfD denen anderer Parteien gegenüberstellt. Zwischen April 2020 und April 2021 nimmt der Anteil der Personen, die die Pandemie mit einer ethnischen Gruppe in Verbindung bringen, unter den Wähler*innen anderer Parteien stetig ab. Damit folgen diese Personen der medialen Debatte, die nur zu Beginn der Pandemie auf China und Menschen asiatischer Herkunft fokussierte. Unter den AfD-Unterstützer*innen ist der Anteil der Personen, die ethnische Gruppen verantwortlich machen, hingegen gleichbleibend hoch: Befragte, die die AfD unterstützen, haben eine fast 75 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, ethnische Gruppen für die Ausbreitung des Virus verantwortlich zu machen.
Menschen, die bereits vor der Pandemie Vorurteile hatten, machen zudem eher ethnische Gruppen für die Verbreitung von Covid-19 verantwortlich. So nennen AfD-Anhänger*innen Personen nicht-deutscher Herkunft allgemein als diejenigen, die das Coronavirus in Deutschland verbreiten – und nicht konkret die Gruppe der „Chinesen“ wie zeitweise in den Medien. AfD-Anhänger*innen greifen also Kategorien wie "Flüchtlinge" und "Einwanderer" auf, die in der AfD-Rhetorik bereits vor 2020 eine zentrale Rolle spielten.
Überraschende Einsichten:
Aufgrund der offenen Frage war es uns möglich, auch neue Entwicklungen im Laufe der Pandemie einzufangen. Ein Beispiel hierfür ist, dass seit den ersten Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vermehrt „Coronakritiker*innen“ als Gruppe genannt werden, die das Coronavirus in Deutschland verbreitet.
Bedeutung für die Praxis:
<main id="content" class="standard nadira">Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit rechten politischen Einstellungen auch während der Pandemie deutlich eher ethnische Gruppen für negative Entwicklungen verantwortlich machen als andere Personen. Daher ist es empfehlenswert, besonders Menschen mit rechten Einstellungen als Zielgruppe im Bereich der Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen anzusprechen, um Vorurteile abzubauen.
</main>
Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:
- Gesundheitssystem
- Bildungssystem und Arbeitsmarkt
- Institutioneller Rassismus
- Umgang mit Rassismuserfahrungen
- Teilhabe und Medien
- Rassistische Ideologien und Einstellungen
Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)