NaDiRa-Kurzstudie: Rassismus–Debatten im Wandel
Entwicklung und Politisierung von Rassismus in der deutschen (Medien-)Öffentlichkeit
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor
Projektleitung: Dr. Elias Steinhilper , Prof. Dr. Sabrina Zajak
Projektmitarbeitende: Dr. Moritz Sommer
Projektteam:
- Elias Steinhilper
- Moritz Sommer
- Sabrina Zajak
- Andreas Blätte
- Tim Henrichsen
- Florian Gilberg
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Projektbeschreibung:
Das Projekt untersucht, wie das Thema Rassismus in der deutschen Medienöffentlichkeit zwischen 2000 und 2020 behandelt wurde. Erstens blickt die Studie darauf, wie salient das Thema im Zeitverlauf ist. Zweitens beleuchtet sie, welche Akteur*innen in den Debatten über Rassismus zu Wort kommen. Drittens zeichnen wir die Konflikthaftigkeit und Polarisierung der Debatte im Zeitverlauf nach. Dazu analysieren wir die Berichterstattung zu Rassismus in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwischen 2000 und 2020 anhand einer computergestützten, quantitativen Inhaltsanalyse.
Ergebnisse:
Die mediale Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus war in den letzten 20 Jahren von zentralen Episoden geprägt, darunter:
- die Debatten um das erste NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2000,
- die Anschläge vom 11. September 2001,
- die Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011,
- der „lange Sommer der Migration“ im Jahr 2015 und
- die weltweiten Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung seit Sommer 2020.
Insgesamt zeigt sich eine U-Kurve: Nachdem Rassismus Anfang der 2000er-Jahre relativ salient war, folgt eine weniger saliente Phase von 2005 bis 2010 und dann ein deutlicher Anstieg ab 2011, der sich 2015 und dann 2020 fortsetzt.
Die Politisierung von Rassismus hat in der deutschen Medienöffentlichkeit seit 2011 zugenommen. Die mediale Debatte ist seitdem stärker sichtbar, die Akteur*innen sind vielfältiger und die Debatte insgesamt konfliktiver geworden. Diese Entwicklung verläuft jedoch nicht linear. Stattdessen ist sie von verschiedenen Aufmerksamkeitsschüben und sich ändernden Akteurskonfigurationen geprägt.
Überraschende Einsichten:
Wir hatten erwartet, dass das Thema Rassismus in der deutschen Medienöffentlichkeit durch die Black-Lives-Matter-Proteste sichtbarer werden würde. Dennoch hat uns das Ausmaß überrascht: Die monatliche Anzahl von Artikeln, in denen es explizit um Rassismus ging, ist ab Juni 2020 teilweise zehnmal höher als in den Jahren davor.
Darüber hinaus hatten wir damit gerechnet, dass Migrant*innen-Selbstorganisationen und andere von Rassismus betroffene Akteur*innen im Zeitverlauf sichtbarer werden würden. Diese Annahme bestätigte sich aber kaum. Vielmehr scheinen rassistisch agierende Akteur*innen sichtbarer zu werden.
Bedeutung für die Praxis:
Unsere Ergebnisse erlauben einen ersten systematischen Blick darauf, wie sich die mediale Debatte über Rassismus längerfristig entwickelt. Sie helfen dabei, aktuelle Debatten historisch einzuordnen. Und sie zeigen, welche Ereignisse und welche Akteur*innen die Debatte prägen – und welche nicht. Nicht zuletzt verdeutlichen die Ergebnisse, wie bedeutend kollektive Mobilisierungen wie die Black-Lives-Matter-Bewegung auch für die mediale Debatte sind: BLM ist es gelungen, die Art, wie über Rasssismus diskutiert wird, zumindest während eines bestimmten Zeitraums grundlegend zu verändern.
Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:
Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:
- Gesundheitssystem
- Bildungssystem und Arbeitsmarkt
- Institutioneller Rassismus
- Umgang mit Rassismuserfahrungen
- Teilhabe und Medien
- Rassistische Ideologien und Einstellungen
Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)