NaDiRa-Kurzstudie: Rassismus in Politik und Medien

Offener und unterschwelliger Rassismus in der politischen und medialen Öffentlichkeit

Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor

Laufzeit Oktober 2020 bis Dezember 2020
Status Abgeschlossenes Projekt

Projektteam:

  • Hartmut Wesser
  • Chung-hong Chan
  • Philipp Müller
  • Katharina Ludwig
  • Alejandro Ecker
  • Marius Sältzer
  • Michael Imre

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Projektbeschreibung:

Medienvermittelter Rassismus schlägt sich in expliziten Herabsetzungen und Anfeindungen nieder. Er zeigt sich aber auch subtiler, nämlich in Verzerrungen im Sprachgebrauch sowie in einer latenten emotionalen Färbung in der Kommunikation über rassisch, ethnisch oder kulturell definierte „Andere“. Auch solche Verzerrungen und Färbungen beeinflussen, wie Menschen gegenüber bestimmten Gruppen eingestellt sind. Das Forschungsprojekt untersuchte zum einen, inwiefern Bundestagsabgeordnete auf Twitter mit Rassismus konfrontiert werden. Zum anderen arbeiteten wir heraus, welche Formen der impliziten rassistischen Diskriminierung sich in welchem Ausmaß und gegenüber welchen Gruppen in den deutschen Nachrichtenmedien finden.

Ergebnisse:

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Tweets, die sich an Abgeordnete mit Migrationshintergrund richten, häufiger rassistische Äußerungen enthalten als Tweets an Abgeordnete ohne Migrationshintergrund. Einige Politiker*innen, vor allem solche mit Migrationshintergrund, können sich rassistischen Äußerungen auf Twitter kaum entziehen. Wenn bestimmte Themen angesprochen werden, machen rassistische Kommentare bei einigen Abgeordneten einen sehr großen Teil aller Reaktionen aus, die sie überhaupt erhalten.

In der Medienberichterstattung wurden einige gesellschaftliche Gruppen in den Jahren 2017 und 2018 unterschwellig stark negativ dargestellt. Dies betraf insbesondere Gruppen, die mit muslimischen Ländern assoziiert werden, sowie mit Ländern, aus denen eine große Zahl der in Deutschland lebenden Geflüchteten stammt. Explizit stigmatisierende Berichte über diese Gruppen konnten wir jedoch nur wenige finden. Möglicherweise haben Journalist*innen verinnerlicht, dass es nicht angemessen ist, Geflüchtete oder Muslim*innen negativ darzustellen. Hingegen fanden wir in Berichten über Gruppen, die aus ärmeren Ländern stammen, konsistent negative Gruppenbewertungen – unterschwellig und ausdrücklich. Hier scheint es also weniger soziale Hemmnisse bei Journalist*innen zu geben, Gruppenzuschreibungen negativ aufzuladen.

Überraschende Einsichten:

Das Ausmaß, in dem einige Politiker*innen tagtäglich auf Twitter mit Rassismus konfrontiert werden, hat uns überrascht. Darüber hinaus fanden wir bemerkenswert, dass je nach untersuchtem Medium unterschiedliche Gruppen unterschwellig negativ dargestellt werden. In der Folge könnten sich stark abweichende gruppenbezogene Stereotype in unterschiedlichen Bevölkerungsmilieus etablieren.

Bedeutung für die Praxis:

Klassifizierungsalgorithmen wie jener, den wir in diesem Projekt für die Analyse von Rassismus auf Twitter entwickelt haben, können auch genutzt werden, um potenziell strafbare Tweets automatisch vorzuselektieren, oder um die Diskussionen in sozialen Medien zu moderieren und Nutzer*innen vor Angriffen zu schützen.

Unsere Analyse der Nachrichtenberichte basiert auf einem selbst entwickelten Klassifikations-Algorithmus, den wir unter einer Open-Source-Lizenz über die Software-Plattform github zur Verfügung stellen. Er eignet sich zur Untersuchung impliziter und expliziter Gruppenstigmatisierungen in sämtlichen deutschsprachigen Medientexten und kann von allen Redaktionen, Verlagshäusern und Medienforscher*innen angewandt werden. Insbesondere bietet unsere Methodik erstmalig die Möglichkeit, auch implizite negative Gruppenzuschreibungen aufzudecken, was für eine kritische Selbstanalyse hilfreich sein kann.

Publikationen:

Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:

Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:

  • Gesundheitssystem
  • Bildungssystem und Arbeitsmarkt
  • Institutioneller Rassismus
  • Umgang mit Rassismuserfahrungen
  • Teilhabe und Medien
  • Rassistische Ideologien und Einstellungen

Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)