NaDiRa-Kurzstudie: Rassismus in Sozialen Medien

Aufbau eines Rassismusmonitorings beginnend mit Twitter

Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor

Laufzeit Oktober 2020 bis Dezember 2020
Status Abgeschlossenes Projekt

Projektteam: Dorian Tsolak, Simon Kühne, Stefan Knauff, Anna Karmann, Martin Kroh, Marcel Gemander, Hendrik Lücking Long Nguyen

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Projektbeschreibung:

Das Projekt untersuchte die Potenziale eines kontinuierlichen Rassismusmonitorings im Social Web am Beispiel von Twitter. Dabei galt es, zuerst den Diskurs über Rassismus auf Twitter zu erfassen und zu analysieren. Zweitens untersuchten wir, wie sich die Verbreitung dieses Diskurses nach politischen Ereignissen verändert, beispielsweise dem Tod von George Floyd in den USA oder dem Terroranschlag von Hanau. Hierfür nutzten wir über eine Milliarde deutscher Tweets, die seit dem Jahr 2018 kontinuierlich gesammelt wurden.

 

Ergebnisse:

Mit unserem Projekt konnten wir zeigen: Big-Data-Analysen von Daten des deutschen Social Web sind technisch umsetzbar und können zu neuen Erkenntnissen in der Rassismusforschung beitragen.

Rassismus ist in der deutschsprachigen Twitter-Community ein viel rezipiertes und wachsendes Thema. In den Jahren 2018 bis 2019 gab es täglich etwa 2.000 bis 3.000 Tweets zu Rassismus, 2020 bis 2021 waren es bereits 3.000 bis 4.000. Gesellschaftliche und politische Ereignisse befördern die Online-Diskussion dabei stark: Im Juni und Juli 2020, zur Hochphase der Black-Lives-Matter-Proteste, gab es viermal mehr Tweets zum Thema Rassismus als im Durchschnitt. Sie machten bis zu vier Prozent der gesamten deutschsprachigen Diskussion auf Twitter aus.

Darüber hinaus wird das Wort „Rassismus“ auf Twitter eher mit antimuslimischem Rassismus sowie Antisemitismus assoziiert als beispielsweise mit antiasiatischem Rassismus. Sowohl „struktureller Rassismus" als auch „Alltagsrassismus“ werden ähnlich stark mit dem Begriff „Rassismus“ assoziiert. Es ist daher davon auszugehen, dass Personen gleich häufig implizit über Alltagsrassismus oder strukturellen Rassismus sprechen, wenn sie das Wort „Rassismus“ verwenden.

 

Überraschende Einsichten:

In der Hochphase der Black-Lives-Matter-Proteste im Juni und Juli 2020 wurde jeder dritte Tweet zum Thema Rassismus retweetet – ein beachtlicher Wert, der zeigt: Die Twitter-Nutzer*innen haben sich stark mit Rassismus auseinandergesetzt. Dies könnte bedeuten, dass die Menschen, denen das Thema wichtig ist, ein dichtes Netzwerk bilden und Beiträge untereinander intensiv teilen. Aber es könnte auch bedeuten, dass die deutsche Twitter-Community insgesamt sehr viele Tweets über Rassismus als wichtig genug wahrgenommen hat, um diese zu teilen.

Darüber hinaus haben wir bei unserer Untersuchung erkannt, dass Twitterdaten ein großes Potenzial für regionalisierte Analysen des Social Web haben. Zwei Drittel der Nutzer*innen füllen das Profil-Feld ‚Wohnort‘ aus. Nach ersten Tests ist es daher möglich, etwa der Hälfte der Nutzer*innen einen realen Ort zuzuweisen. Regionale Unterschiede in Social Web-Inhalten, die sich so identifizieren lassen, stellen damit einen spannenden, zukünftigen Forschungsgegenstand dar. 

 

Bedeutung für die Praxis:

Die Projektergebnisse geben Aufschluss darüber, welche Themen im Zusammenhang mit Rassismus häufig online diskutiert werden und wie sich Stimmungsbilder in Deutschland zum Thema Rassismus entwickeln – im Zeitverlauf, aber auch in Abhängigkeit von Schlüsselereignissen. Für die weitere Forschung ist es interessant, dass regionalisierte Analysen des Social Web zu den Themen Rassismus und Rassismus im Social Web durchführbar sind. So kann beispielsweise untersucht werden, inwieweit sich Rassismus auch im Social Web regional unterschiedlich äußert.

 

Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:

Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:

  • Gesundheitssystem
  • Bildungssystem und Arbeitsmarkt
  • Institutioneller Rassismus
  • Umgang mit Rassismuserfahrungen
  • Teilhabe und Medien
  • Rassistische Ideologien und Einstellungen

 

Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)