NaDiRa-Kurzstudie: Stereotype im Spitzensport

Racist Stacking im deutschen Spitzensport

Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor

Projektmitarbeitende: Felicia Boma Lazaridou

Laufzeit Oktober 2020 bis Dezember 2020
Status Abgeschlossenes Projekt

Projektteam:

  • Tina Nobis
  • Felicia Lazaridou
  • Jannick Philp
  • Adina Ludwig
  • Sarah Grun
  • Sebastian Lejeune

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Projektbeschreibung:

Unsere Pilotstudie über Racist Stacking im deutschen Spitzensport zielte darauf ab, erstmalig zu analysieren, wie Spielpositionen in der Fußball-Bundesliga der Männer verteilt sind. Racist Stacking benennt ein Phänomen aus dem Mannschaftssport: Schwarzen Sportler*innen sind aufgrund rassistischer Zuschreibungen auf zentralen, taktischen und führenden Spielpositionen unter-, auf dezentralen und körperbetonten Spielpositionen überrepräsentiert. Dieses im US-amerikanischen Raum recht gut erforschte Phänomen wurde in Deutschland noch nicht untersucht. 

Ergebnisse:

Wenn sich rassistische Stereotype über die athletische Überlegenheit und die intellektuelle Unterlegenheit von Schwarzen Spielern in der Besetzung von Spielpositionen niederschlagen, würde das bedeuten: Schwarze Spieler sind auf den Positionen des Torwarts sowie im defensiven und im zentralen Mittelfeld unterrepräsentiert und auf den defensiven und offensiven Außenbahnen sowie im Sturm überrepräsentiert. Diese Hypothese haben wir überprüft.

Das Ergebnis: Racist Stacking ist in der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga der Männer in der Saison 2020/2021 klar erkennbar. Obgleich jeder fünfte Spieler in der ersten und zweiten Bundesliga Schwarz ist, gibt es keinen einzigen Schwarzen Bundesliga-Torwart. Im zentralen und im defensiven Mittelfeld sind Schwarze Spieler leicht unterrepräsentiert. Besonders deutlich fällt auf, dass die Position der offensiven Außenspieler ungleich besetzt ist. Hier sind Schwarze Spieler mit einem Anteil von 37 % deutlich überrepräsentiert. Zudem sind Schwarze Spieler auch in der Außenverteidigung und im Sturm leicht überrepräsentiert.

Überraschende Einsichten:

Es gibt zwar eine ganze Reihe an prominenten Schwarzen Bundesliga-Spielern. Was wir aber nicht erwartet hatten, ist, dass sogar jeder fünfte Bundesligaspieler Schwarz ist. Bemerkenswert finden wir hier auch: Es ist anzunehmen, dass viele Schwarze Spieler nicht aus dem Ausland verpflichtet, sondern in Deutschland sozialisiert wurden. Denn unsere Studie zeigt, dass etwa 41 % der Schwarzen Spieler die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.

Weiterhin war für uns überraschend, wie klar erkennbar Racist Stacking bei einigen Spielpositionen ist. In der Saison 2020/2021 gab es keinen einzigen Schwarzen Torwart, dafür aber überproportional viele Schwarze Außenspieler.

Bedeutung für die Praxis:

Die Ergebnisse der Pilotstudie könnten eine sportverbandliche, gesellschaftspolitische und wissenschaftliche Debatte über den deutschen Spitzensport anstoßen – gerade weil sie subtile, strukturelle Formen von Rassismus im Profifußball aufzeigen, die bislang wenig thematisiert wurden. So können die Ergebnisse womöglich auch zu einer erhöhten Sensibilität für dieses Thema und zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen beitragen.

Zudem regt die Pilotstudie weitere anwendungsorientierte Forschung zu Rassismus im Sport an, die endlich grundlegendes Orientierungswissen für ein in Deutschland bislang kaum erforschtes Feld liefern kann.

Publikationen:

Medienberichte & Veröffentlichungen:

Ronny Blaschke: Struktureller Rassismus im Sport: Gleichberechtigung als Mythos. Deutschlandfunk Kultur, 19.09.2021

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Carsten Janke: Rassismus in der Bundesliga? Keine Schwarzen Torhüter. Mediendienst Integration, 08.07.2021

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Rassismus im Fußball. Chancengleichheit gibt es nicht. ARD-Sportschau/WDR Sport Inside, 25.04.2021

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“Racist Stacking in Professional Soccer in Germany” Nobis,Tina, FLazaridou,Felicia International Review for the Sociology of Sport First Published March 1, 2022 Research Article 
doi.org/10.1177/10126902221081125 Open Access

Kurzstudien zur Vorbereitung des Rassismusmonitors:

Um einen umfassenden Rassismusmonitor vorzubereiten, rief das DeZIM im Jahr 2020 Wissenschaftler*innen aus der DeZIM-Forschungsgemeinschaft dazu auf, innovative Studienideen zu entwickeln. Diese sollten bestehende Forschungsprojekte erweitern, neue und innovative Ansätze verfolgen oder eine Infrastruktur aufbauen, um Rassismus zu erforschen. Bis 2021 führten über 120 Wissenschaftler*innen an den sechs Standorten der DeZIM-Forschungsgemeinschaft insgesamt 34 Kurzstudien durch. Diese gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte:

  • Gesundheitssystem
  • Bildungssystem und Arbeitsmarkt
  • Institutioneller Rassismus
  • Umgang mit Rassismuserfahrungen
  • Teilhabe und Medien
  • Rassistische Ideologien und Einstellungen

Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)