Unterstützung und Integration von Geflüchteten aus der Ukraine: Perspektiven der Betroffenen
Abteilung Integration
Projektleitung: Dr. Niklas Harder , Prof. Dr. Magdalena Nowicka
Projektkoordination: Dr. Nora Ratzmann
Projektmitarbeitende: Mathis Herpell , Dr. Katarina Mozetič , Alexandra Orlova
Die russische Invasion in der Ukraine hat zur Zerstörung der zivilen Infrastruktur und zu Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt. Dies hat mehr als 6 Millionen Menschen gezwungen, auf der Suche nach Sicherheit, Schutz und Hilfe ihre Häuser und ihr Land zu verlassen. Mehr als 900.000 von ihnen sind in Deutschland angekommen, vor allem Frauen und Kinder. Die erste Versorgung nach der Ankunft bewältigte Deutschland mit großer Unterstützung aus der Gesellschaft, insbesondere durch die Bereitstellung von Unterkünften durch Privatpersonen. Rechtlich wurde die Situation durch die erstmals in Kraft gesetzte „Massenzustrom-Richtline“ der Europäischen Union gesteuert, wodurch schnell aufenthaltsrechtliche Klarheit erreicht werden konnte. Die Implikationen für andere Rechts- und Versorgungsbereiche in Deutschland bleiben jedoch weniger klar. In den Bereichen des Zugangs zu Grundsicherungsleistungen, medizinischer Versorgung, Unterbringung, Betreuung und Beschulung von Geflüchteten aus der Ukraine ergeben sich seit Februar 2022 neue Fragen und Herausforderungen.
Dieses Projekt untersucht die Frage, ob die bestehenden Regelungen in Bereichen wie dem Aufenthaltsrecht, Asylrecht, Wohnsitz, Gesundheitssystem, Arbeitsmarkt, der Kinderbetreuung, Schule und Grundsicherung die tatsächlichen Bedarfe von Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, ausreichend erfüllen und wie die Regeln ineinandergreifen, so dass die Unterstützung effektiv und möglichst lückenlos ist. Um die Bedürfnisse der Betroffenen aus ihrer Perspektive möglichst genau zu erfassen, ist das Forschungsvorhaben in zwei Teilprojekte gegliedert, eine qualitative sowie eine quantitative Befragung.
Modul 1 – Qualitative Befragung:
Dieses Modul fokussiert die Interaktionen von Personen aus der Ukraine mit unterschiedlichen Behörden und anderen staatlichen Institutionen wie Schulen auf der Bundes-, Landes-, und Kommunalebene. Das interessiert uns in Hinblick auf die Möglichkeiten, die Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland seit dem 24. Februar 2022 gekommen sind, haben, um ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Besonderes Augenmerk legen wir auf die Erfahrungen von Familien mit Kleinst- und Kleinkindern (0 bis 6 Jahre), sowie Mitgliedern der LGBTQ-Community. Spezifische Fragen zu den Bedarfen aus der Perspektive der Betroffenen umfassen:
- Welche Bedürfnisse und Erwartungen bezüglich Pflege- und Sorgearbeit bzw. Kinderbetreuung, Kitabesuch, Beschulung, Weiterbildung, oder Anerkennung von Qualifikationen (vor allem in sozialen Berufen, Pflege, Erziehung) haben Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind; welche Bedürfnisse bleiben bisher unbefriedigt; welche Folgen hat das für die Entscheidungen der Geflüchteten bezüglich des Verbleibs in einer Stadt oder sogar in Deutschland?
- Welche Art von Unterstützung erhalten bzw. beantragen Personen aus der Ukraine; wie verläuft die Beantragung; wie verständlich sind die Regelungen; über welche Informationskanäle erfahren die aus der Ukraine geflüchteten Menschen über ihre Rechte; wo suchen sie nach Unterstützung, die sie brauchen (z. B. BAMF, kommunale Beratungsangebote, Diasporaorganisationen; Gastfamilien/eigene soziale Netzwerke; andere zivilgesellschaftliche Organisationen, Internetforen); wer unterstützt sie bei Interaktionen mit Behörden und dem Erledigen der Formalitäten wie dem Beantragen von Leistungen und wie?
- Welche Handlungsmöglichkeiten haben die aus der Ukraine geflüchtete Personen bzw. wie selbständig agieren sie, beispielsweise bei der Wohnungssuche, Arbeitssuche oder Entscheidungen über die Beschulung von Kindern; welche Herausforderungen erfahren diejenigen, die mit Minderjährigen angereist sind, für die sie nicht erziehungsberechtigt sind?
- Welche Auswirkungen hat die Fluchtsituation auf die Organisation der Familie, beispielsweise bezüglich Geschlechterrollen oder Pflege- und Sorgearbeit; welche Betreuungsaufgaben für nicht verwandte, aber mitgereisten Minderjährige übernehmen die geflüchteten Familien; welche anderen mitgereisten Personen werden betreut oder gepflegt und welche Unterstützung erhalten die Familien dabei von Behörden und anderen staatlichen Akteuren?
Wir arbeiten hierbei multimethodisch, mit wiederholten, qualitativen Interviews in Berlin und München, sowie digitalen Tagebüchern, wo Betroffene ihre Erlebnisse und Stimmungen festhalten können.
Modul 2 – Quantitative Befragung:
Viele in Deutschland ankommende Personen aus der Ukraine konnten schnell in private Unterkünfte vermittelt werden. Damit wurden die staatlichen Aufnahmestrukturen merklich entlastet. Ob private Unterbringungen die öffentlichen Strukturen auch in Zukunft ergänzen sollten, oder ob private Unterbringungen eventuell noch weiter gefördert und ausgebaut werden sollten, hängt auch davon ab, wie die privat untergebrachten Geflüchteten Ihre Unterbringung erlebten und wie die Art der Unterbringung mit der weiteren Integration in Deutschland zusammenhängt.
Zusammen mit der Vermittlungsplattform #UnterkunftUkraine entwickeln wir in diesem Modul eine Online-Befragung von Ankommenden aus der Ukraine, die nach einer privaten Unterkunft gesucht haben. Ziel des Projekts ist es, die Integrationswege von privat und öffentlich untergebrachten Personen aus der Ukraine zu vergleichen und Ansätze zur Verbesserung der Vermittlung in private Unterkünfte zu entwickeln. Außerdem sollen in mehreren Befragungswellen auch die Bedürfnisse der Betroffenen bezüglich Pflege- und Sorgearbeit bzw. Kinderbetreuung, Kitabesuch, Beschulung, Weiterbildung, Anerkennung von Qualifikationen erfragt werden, um so die Einblicke aus der qualitativen Befragung zu ergänzen.
Förderung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drittmittel)