DeZIM-Gewaltschutzmonitor: Beteiligung und Nutzung in Geflüchtetenunterkünften

Das DeZIM-Institut entwickelte in einem partizipativen Prozess mit Bund- und Länderverwaltungen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ein Instrument, mit dem Geflüchtetenunterkünfte ihre Gewaltschutzmaßnahmen und Gewaltereignisse unkompliziert und effizient dokumentieren können: Der DeZIM-Gewaltschutzmonitor wurde seit Herbst 2022 schrittweise in sieben Bundesländern in Deutschland eingeführt. Seither ist die Nutzung stetig gestiegen. Die Unterkünfte, die den Monitor nutzen, sehen ihn als Unterstützung bei der Umsetzung der Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Geflüchtetenunterkünften. 

In dieser Reihe wird der DeZIM-Gewaltschutzmonitor und die mit ihm erhobenen Daten vorgestellt.  Dies ist der erste in einer Serie von drei Beiträgen, die die Arbeit des Gewaltschutzmonitors aus unterschiedlichen thematischen Perspektiven betrachten. 

Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Geflüchtetenunterkünften

Geflüchtete Menschen sind in Unterkünften (dazu zählen Erstaufnahmeeinrichtungen ebenso wie Gemeinschaftsunterkünfte) einer Vielzahl von Gewaltformen ausgesetzt. Der Schutz geflüchteter Menschen  vor Gewalt in diesen Unterkünften bedarf daher konkreter Maßnahmen. Deshalb hat die Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" gemeinsam mit Partner*innenorganisationen im Jahr 2016 einheitliche „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ entwickelt. Die Mindeststandards sind zum einen als Leitlinie für die Erstellung, die Umsetzung und das Monitoring von unterkunftsspezifischen Schutzkonzepten gedacht. Zum anderen dienen sie als Orientierung für die (Weiter-) Entwicklung von Schutzkonzepten in den einzelnen Bundesländern oder Kommunen. Die Mindeststandards verteilen sich auf sechs Handlungsfelder
(siehe Grafik 1).  

Die vierte und aktuelle Version der Mindeststandards kann in einer Publikation der Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" eingesehen werden.  

Die Mindeststandards basieren auf einem Verständnis von Gewalt, das verschiedene Formen von Gewalt einschließt: Dazu gehören unter anderem:

  • physische Gewalt
  • sexualisierte Gewalt
  • psychische Gewalt
  • Vernachlässigung von Kindern
  • Gewalt in Paarbeziehungen
  • geschlechtsspezifische Gewalt
  • Zwangsheirat, Nachstellung/Stalking
  • Gewalt unter Kindern und Menschenhandel

(vgl. BMFSFJ/UNICEF 2021: 37-39). Gewalt kann dabei zwischen den Bewohner*innen der Unterkünfte auftreten, aber auch vom Personal oder den eingesetzten Sicherheitsdiensten ausgehen.  

Gewaltschutzmonitor zum kontinuierlichen Monitoring und Evaluierung

Kontinuierliches Monitoring und die Evaluierung der umgesetzten Schutzmaßnahmen in den Unterkünften sind integraler Teil der Mindeststandards. Indem sie ihre Maßnahmen dokumentieren, können Unterkünfte auf wiederkehrende Gefährdungssituationen und besondere Bedarfe reagieren. Um die langfristige, unkomplizierte und effiziente Dokumentation von Gewaltereignissen und präventiven Schutzmaßnahmen zeitlich und personell angemessen zu gewährleisten, hat das DeZIM-Institut den digitalen Gewaltschutzmonitor entwickelt. Er wurde zusammen mit der Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" und einem wissenschaftlichen Beirat, sowie in mehreren Feedbackschlaufen mit einzelnen Unterkünften (einschließlich ihrer Bewohner*innen) und Länderverwaltungen entwickelt. Der Monitor bietet anschauliche Darstellungen und einfache Auswertungen zur Lage des Gewaltschutzes in Geflüchtetenunterkünften. Ab 2022 wurde er in mehreren Bundesländern eingeführt. Seither verbreitet sich die Nutzung kontinuierlich. Hier präsentieren wir einen ersten Überblick über die bisherige Verwendung des Tools. 

Stetig wachsende Nutzung des Gewaltschutzmonitors in Geflüchtetenunterkünften

Bislang haben sich Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein für den Einsatz des DeZIM-Gewaltschutzmonitors entschieden. Die Einführung des Monitors ist ein kontinuierlicher Prozess, der seit dem Spätsommer 2022 voranschreitet. Die Verbreitung und Nutzung des Gewaltschutzmonitors verläuft in den Bundesländern unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählt das Abstimmungsverfahren zwischen Landesverwaltungen und den Trägern der Unterkünfte ebenso wie die vorhandenen Kapazitäten in den Unterkünften, ein Monitoring durchzuführen. In Unterkünften herrscht häufig eine hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden, die in der Praxis mit einer Reihe von Problemlagen konfrontiert sind – nicht zuletzt in der Betreuung der Bewohner*innen und der Umsetzung der Mindeststandards (Wirth et al. 2019). Vor diesem Hintergrund kann die Entwicklung der Nutzung des Monitors durchaus als Erfolg gewertet werden. Das DeZIM-Institut bietet regelmäßig Fortbildungen zur Nutzung des Monitors an und entwickelt das Instrument stetig weiter. Die Anzahl der Unterkünfte, die den Gewaltschutzmonitor nutzen, ist über die letzten acht Quartale stetig gestiegen (Grafik 2). Im zweiten Quartal 2024 verwendeten bereits 73 Unterkünfte den Gewaltschutzmonitor. (Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen werden keine Informationen zu einzelnen Bundesländern oder Unterkünften sichtbar gemacht.)

Der Gewaltschutzmonitor deckt alle Mindeststandards ab, erhebt aber auch weitere Daten

Der DeZIM-Gewaltschutzmonitor umfasst insgesamt elf Fragebögen, die die Einhaltung aller Mindeststandards abfragen und weitere zentrale Daten im Zeitverlauf erfassen (Informationen zum Gewaltschutzmonitor finden Sie auch in der Handreichung „Der digitale DeZIM-Gewaltschutzmonitor: Wie der Gewaltschutzmonitor funktioniert und angewendet wird“). Diese Fragebögen wurden aus den Mindeststandards abgeleitet und in partizipativen Feedbackrunden mit den verschiedenen Stakeholdern überarbeitet, erweitert und präzisiert. Der Gewaltschutzmonitor ist modular aufgebaut und sieht vor, dass die Unterkünfte die Fragebögen einmal im Quartal beantworten. Ausnahmen bilden die Fragebögen „Gewaltvorkommnisse“ und „Personal- und Belegungsdaten“, die monatlich erfasst werden, sowie einige strukturelle Fragen, die jährlich erhoben werden. Die Fragen werden von verschiedenen Personen (Unterkunftsleitung, Gewaltschutzkoordinator*innen oder Sozialarbeiter*innen) beantwortet. Zudem können Bewohner*innen kontinuierlich über das Instrument befragt werden.

Der Gewaltschutzmonitor als Unterstützung zur Umsetzung von Mindeststandards

Das DeZIM holt regelmäßig Feedback von den Unterkünften, die den Monitor nutzen, ein. Dazu wurden qualitative Befragungen und im Winter 2023/24 erstmalig eine quantitative Befragung durchgeführt. Bei der letzteren gaben mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Nutzer*innen des Monitors (n=81) an, der Gewaltschutzmonitor helfe ihnen „eher“ und „teilweise“ dabei, die Mindeststandards umzusetzen. Insgesamt wird das Tool demnach als sinnvoll und hilfreich eingeschätzt (Grafik 4). 

Diejenigen, die das Tool als weniger hilfreich für die Umsetzung der Gewaltschutzstandards in ihrem Arbeitsalltag einschätzen, bemängeln vor allem die Länge der Fragebögen. Diese stellt aufgrund der bereits erwähnten Zeit- und Ressourcenprobleme in manchen Einrichtungen eine Herausforderung für die Mitarbeitenden dar. Hier zeigt sich ein Dilemma zwischen dem Ziel, die Mindeststandards möglichst ausführlich abzudecken und dem damit verbundenen Aufwand für die Unterkünfte.

Ab 2025 plant das DeZIM deshalb, die im Monitor genutzten Fragebögen zu kürzen. Denn der Monitor bietet weiterhin eine einzigartige Möglichkeit, die Mindeststandards zu überprüfen und umzusetzen sowie Gewaltvorfälle in Geflüchtetenunterkünften systematisch zu dokumentieren.

 

Quellen:

BMFSFJ; UNICEF (2021): Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften. Online verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/117472/7b4cb6a1c8395449cc26a51f407436d8/mindeststandards-zum-schutz-von-gefluechteten-menschen-in-fluechtlingsunterkuenften-data.pdf, zuletzt geprüft am 08.11.2024.

Wirth, Tanja; Mette, Janika; Prill, Jerrit; Harth, Volker; Nienhaus, Albert (2019): Working conditions, mental health and coping of staff in social work with refugees and homeless individuals: A scoping review. In: Health & Social Care in the Community, 27(4): S. e257-e269. https://doi.org/10.1111/hsc.12730