Es war eine Situation, die Politik, Verwaltung und Gesellschaft tiefgreifend forderte: Viele Menschen suchten 2015 in Europa Zuflucht. Allein nach Deutschland reisten fast 900.000 Schutzsuchende ein, vor allem aus Syrien, aber auch aus dem Irak, Afghanistan und weiteren Ländern. Besonders die Ereignisse im Sommer vor zehn Jahren, aber auch in den darauffolgenden Monaten markierten eine Zäsur in der deutschen und europäischen Migrationsgeschichte. „Wir schaffen das“, sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel am 31. August 2015 angesichts stark steigender Aufnahmezahlen. Was wurde geschafft – und was nicht?
„Der Sommer 2015 war ein wichtiger Moment im Umgang mit Fluchtmigration in Deutschland und der EU – humanitär, politisch und institutionell“, sagt Dr. Ramona Rischke, Migrationsforscherin am DeZIM-Institut. „Das darauffolgende Engagement, die Debatten, Regelverschärfungen, gesellschaftlichen Errungenschaften und Brüche machen deutlich: Fluchtmigration berührt den Kern demokratischer Gesellschaften. Heute stellt sich die Frage, welche Lehren wir aus den Ereignissen ziehen, sowohl für die Aufnahme und Integration Geflüchteter als auch für eine langfristig tragbare, menschenrechtsbasierte Asylpolitik und demokratische Stabilität.“
Daueraufgabe „Fluchtbewegungen“ erfordert langfristige Investitionen
Die damaligen vermehrten Ankünfte, gerade in Folge des Syrienkriegs, haben bereits vorher bestehende Schwachstellen der internationalen Koordinierung und der Infrastruktur zu Tage treten lassen. Die Folge waren etwa überlastete Staaten und Kommunen und Engpässe in der Erstaufnahme sowie im Bildungssystem. „Deutlich wurde auch: Fluchtmigration lässt sich nicht durch das Schließen von Grenzen verhindern. Sie wird nur gefährlicher, weil die Menschen immer riskantere Routen wählen müssen“, sagt Dr. Ramona Rischke.
Der Umgang mit Fluchtbewegungen wird auch in Deutschland eine Daueraufgabe bleiben. Daher braucht es anhaltende und auf Langfristigkeit ausgelegte Investitionen in die Asyl-, Aufnahme- und Integrationsinfrastrukturen fordert Rischke. In Krisenregionen müssen ausreichend Hilfe und Finanzierung für den Flüchtlingsschutz bereitgestellt sowie internationale Aufnahmeprogramme erhalten und gestärkt werden. „Die aktuellen Entwicklungen in der deutschen, europäischen und internationalen Politik weisen jedoch in eine andere Richtung.“
Eine Auswahl von DeZIM-Forscher*innen, die Journalist*innen wissenschaftliche Einordnung anbieten können:
Dr. Ramona Rischke, Co-Leiterin der Abteilung Migration: Mobilitätsentscheidungen und -verläufe; Migrations- und Integrationsprozesse entlang von Migrationsrouten; Seenotrettung; internationales Flüchtlingsregime und EU-Asylpolitik
Dr. Olaf Kleist, Co-Leiter der Fachgruppe Demokratieförderung und demokratische Praxis: EU-Flüchtlingspolitik; Flüchtlingspolitik und Demokratie; Wandel des Flüchtlingsschutzes im historischen und internationalen Vergleich.
Dr. Niklas Harder, Co-Leiter der Abteilung Integration: Private Unterbringung von Geflüchteten; Wirksamkeit von Integrationskursen; Integrationsleistungen der damals Angekommenen; Rückkehrdebatten; Einbürgerungen
Dr. Friederike Römer, Co-Leiterin der Abteilung Konsens und Konflikt: Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften; Zugang zu sozialen Leistungen (z. B. Bezahlkarte)
Dr. Elias Steinhilper, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Konsens und Konflikt: zivilgesellschaftliches Engagement für Geflüchtete; gesellschaftliche Folgen (z. B. Politisierung durch die AfD)
Ihr Thema ist nicht dabei? Wir sind gern bei der Suche nach der passenden Ansprechperson behilflich.
Für Interviewanfragen oder weitere Informationen:
Angie Pohlers
Pressereferentin
Mail: presse(at)dezim-institut.de
Tel.: 030 / 200 754 - 130