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Hassmails, Vandalismus, Gewalt – aus dem Alltag zivilgesellschaftlicher Demokratiearbeit
Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte engagieren, sehen sich in Deutschland verschiedenen Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt – teilweise täglich. Dies ist das zentrale Ergebnis einer anonymen Befragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) unter ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Der Policy Brief „Schwindende Räume: Wenn demokratisches Engagement zur Zielscheibe wird“ zeigt, dass Einschüchterung, Hassrede und gezielte Diskreditierung für ein Drittel der befragten Organisationen zum Alltag gehört – mit weitreichenden Folgen für das Engagement und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 52 % der befragten Organisationen haben daher selbst Sicherheitsmaßnahmen eingeführt.
Die Angriffe sind nicht nur verbal oder digital, sondern geschehen auch als Sachbeschädigungen und körperliche Angriffe. 42% der Organisationen berichten, dass sich ehrenamtlich Engagierte trotz Schutzmaßnahmen zurückziehen, weil sie sich der anhaltenden Bedrohungslage nicht länger aussetzen können oder wollen.
Zentrale Ergebnisse
- Dauerhafte Bedrohungen im Alltag: Mehrfach pro Woche Angriffe gegen ihr Engagement – das berichtet fast ein Drittel der Organisationen, die sich in der Demokratiearbeit engagieren.
- Regelmäßige Erfahrung von Hatespeech und Beleidigung: 50 % der befragten Organisationen gaben an, mindestens monatlich mit Hassrede gegen die Einrichtung oder Mitarbeitende sowie Diskriminierung und Beleidigung von Mitarbeitenden konfrontiert zu sein.
- Tätliche Angriffe: 18 % der Organisationen berichten, dass es vereinzelt zu körperlichen Übergriffen auf Mitarbeitende kommt. 62 % der Organisationen haben noch keine Fälle von physischer Gewalt registriert. 20 % haben hierzu keine Angaben gemacht.
- Regelmäßige Bedrohung durch Vandalismus, Störungen, Gewaltandrohungen: 12 % der Befragten schildern mindestens monatliche Sachbeschädigungen sowie gezielte Störungen von Veranstaltungen oder Arbeitsabläufen. Das trifft auch für Fälle von Einschüchterungen und Nötigungen zu.
- Cyberattacken: 8 % der Befragten gaben mindestens monatliche Hacking-Angriffe an.
- Gegenmaßnahmen der Organisationen: 52 % haben erhöhte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, 40 % dokumentieren systematisch Übergriffe, 36 % melden Vorfälle an externe Stellen wie die Polizei. 20 % erstatten Strafanzeigen.
- Rückgang des Engagements: 42 % der Organisationen beobachten, dass sich ehrenamtliche Mitarbeitende aus dem Engagement zurückziehen. 24 % berichten von einem Rückzug hauptamtlicher Angestellter infolge der Bedrohungslage.
Zur Methodik: Die Daten basieren auf einer anonymen Online-Befragung unter Mitarbeitenden von 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in der Demokratiearbeit tätig sind. Sie wurde im Juli und August 2024 durchgeführt und per Schneeballsystem verbreitet.
Anfeindungen, Bedrohungen und Übergriffe im Zeitraum August 2023 bis August 2024
Dr. Mirjam Weiberg, Co-Autorin der Studie und Leiterin der Fachgruppe Demokratieförderung und demokratische Praxis am DeZIM-Institut:
„Unsere Ergebnisse sind alarmierend: Fast jede dritte Organisation, die sich in der Demokratiearbeit engagiert, berichtet von mehrfachen Angriffen pro Woche. Die Bedrohungslage führt dazu, dass ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende sich zunehmend aus dem Engagement zurückziehen - mit unmittelbaren Folgen für die Stärkung der Demokratie in Deutschland. Neben dem, was die Organisationen bereits selbst tun, um sich zu schützen, bedarf es deshalb dringend staatlicher Unterstützung und Rückendeckung aus Politik und Gesellschaft, um diese wichtige Arbeit weiter zu ermöglichen.“
Vom Projekt, Träger oder einzelnen Mitarbeitenden vorgenommene Sicherheitsvorkehrungen
Rima Hanano, Leiterin von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit:
„Organisationen, die sich für die Teilhabe von muslimischen und muslimisch markierten Menschen oder andere rassistisch markierte und diskriminierte Gruppen einsetzen, sind in besonderem Maße von Anfeindungen betroffen. Auch wir erleben zunehmend, dass politische und gesellschaftliche Akteur*innen gezielt versuchen, unsere Arbeit zu diskreditieren und einzuschränken. Dies geht weit über Hasskommentare hinaus – was wir tun, wird systematisch delegitimiert. Wir brauchen gerade jetzt eine klare Haltung und auch Wertschätzung zivilgesellschaftlichen Engagements seitens der Politik. Konkret benötigen wir außerdem Schutz, etwa durch Melderegisterauskunftssperren und Unterstützung durch juristischen Beistand.“
Unterstützungsbedarfe der Organisationen im Umgang mit Bedrohungen
Den Downloadlink zur Studie finden Sie hier.
Dr. Mirjam Weiberg und Rima Hanano stehen für Interviews zur Verfügung.
Pressekontakt:
Angie Pohlers
Pressereferentin
presse@dezim-institut.de
Tel.: 030-200754-130