Welche Parteien haben Wähler*innen mit Migrationshintergrund bei der Bundestagswahl gewählt? 

Eine neue DeZIM-Analyse gibt detaillierte Einblicke in Wahlentscheidungen, Themenpräferenzen und Koalitionswünsche von Wahlberechtigten mit und ohne Migrationshintergrund bei der Wahl am 23. Februar 2025.

Forscher*innen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) haben eine Analyse zur Bundestagswahl 2025 veröffentlicht, die sich mit dem Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund befasst. Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung von 2.375 Personen mit und ohne Migrationshintergrund, die kurz vor und kurz nach dem 23. Februar stattfand. Während Wahlberechtigte mit MENA*-/Türkei-Bezug überdurchschnittlich häufig für SPD, Linke und BSW stimmten, zeigte sich bei Wähler*innen aus der ehemaligen Sowjetunion eine stärkere Neigung zu Parteien des rechten und konservativen Spektrums. Zudem bestätigt die Untersuchung, dass Wirtschaftspolitik für alle Wähler*innen das zentrale Thema für ihre Wahlentscheidung ist. 

Die Analyse knüpft an eine im Januar veröffentlichte DeZIM-Studie an, die Erkenntnisse zu Parteienneigungen, politischen Problemwahrnehmungen und Alltagssorgen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund lieferte. Die neue Befragung bestätigt die vorangegangenen Ergebnisse in vielen Punkten, etwa in Bezug auf die Parteineigungen.  

Gefragt wurde nun nach dem Interesse an der Bundestagswahl, der vergebenen Zweitstimme, nach wahlrelevanten Themen, bevorzugten Koalitionen und priorisierten öffentlichen Investitionen. Die Analyse wurde für Wahlberechtigte ohne Migrationshintergrund und für jene aus den drei größten Gruppen der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund durchgeführt: MENA-Region/Türkei, EU und ehemalige Sowjetunion. 

*MENA: Middle East and Northern Africa 

Zentrale Ergebnisse 

  • Wahlinteresse: In allen untersuchten Gruppen gab es viele Menschen mit starkem Interesse an der Bundestagswahl. Auf die Frage „Wie hoch ist Ihr Interesse an dieser Bundestagswahl?“ haben zwischen 82% und 90,2% die Antwortmöglichkeiten „hoch“ oder "sehr hoch" gewählt.
       
  • Zweitstimmen: Menschen mit Migrationshintergrund aus der MENA-Region/Türkei neigen mehr als die anderen analysierten Gruppen zu SPD, Linke und BSW. So ist die Wahrscheinlichkeit, der SPD die Zweitstimme zu geben, bei ihnen 18,5 Prozentpunkte höher als bei Wähler*innen ohne Migrationshintergrund. Für das BSW ist der Wert bei ihnen um 13,1 Prozentpunkte und für die Linke um 7,6 Prozentpunkte erhöht. Die AfD wählen sie mit einer um 9,4 Prozentpunkte geringeren Wahrscheinlichkeit. Auch bei CDU/CSU (8,1 Prozentpunkte) und Grünen (9,7 Prozentpunkte) sind die Werte im Vergleich geringer. 
    Dagegen haben Wähler*innen aus der ehemaligen Sowjetunion eine um 19,4 bzw. 17,4 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, AfD und BSW zu wählen. Die geringsten Unterschiede wiesen die Zweitstimmenabgaben von Wahlberechtigten mit EU-Bezug und jenen ohne Migrationshintergrund auf – lediglich die AfD schnitt bei ersteren um vier Prozentpunkte schlechter ab.
     
  • Wahlthemen: Nach den wichtigsten Themen bei der Bundestagswahl gefragt, entschieden sich 51,4 % aller Befragten für „Wirtschaft und Arbeit“. Danach folgten „Migration“ und „soziale Gerechtigkeit“. Alle vier analysierten Gruppen maßen „innerer Sicherheit“ etwa die gleiche Bedeutung zu. Unterschiede gab es bei „Umwelt- und Klimaschutz“, der für Menschen aus der MENA-Region/Türkei deutlich weniger relevant war als für Menschen ohne Migrationshintergrund.
     
  • Gewünschte Koalitionen: Die Koalitionspräferenzen unterscheiden sich kaum zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund – in allen vier Gruppen wird eine schwarz-rote Koalition am häufigsten bevorzugt. Die größte Zustimmung kommt von Menschen mit Bezug zur MENA-Region/Türkei.
     
  • Investitionsbedarf: Bei der Frage nach der Finanzierung von politischen Anliegen haben öffentliche Investitionen in die Wirtschaft und die soziale Absicherung für alle analysierten Gruppen höchste Priorität. Dagegen findet die Einhaltung der Schuldenbremse nur wenig Unterstützung. Lediglich den Befragten mit Migrationshintergrund in der MENA-/Türkei-Region ist dieses Vorhaben wichtiger – 21,6 % aus dieser Gruppe erachten die Einhaltung der Schuldenbremse als relevanteste Maßnahme. 

 
Dr. Friederike Römer, Co-Leiterin der Abteilung Konsens & Konflikt und Co-Autorin der Studie: „Unsere Analyse zeigt, dass Wähler*innen mit Migrationshintergrund nicht wie bisweilen dargestellt als homogene Gruppe betrachtet werden können. Innerhalb dieser Gruppe unterscheiden sich je nach sogenannter Herkunftsregion etwa die Wahlpräferenzen. Sowohl die CDU/CSU als auch die Grünen werden von Wahlberechtigten mit Bezug zur MENA-Region/Türkei und zur ehemaligen Sowjetunion seltener gewählt als von Wahlberechtigten ohne Migrationshintergrund. Wahlberechtigte mit Bezug zur EU hingegen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Parteipräferenzen wenig bis gar nicht von Wahlberechtigten ohne Migrationshintergrund. 

Dr. Elias Steinhilper, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Konsens & Konflikt und Co-Autor der Studie: „Der Themenkomplex Wirtschaft und Arbeit war für Wähler*innen mit und ohne Migrationshintergrund bei der zurückliegenden Wahl das absolute Top-Thema. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, ist es sinnvoll, auf dieses verbindende Anliegen zu setzen.“ 

Zur Methodik 
Die Daten basieren auf einer Sonderbefragung, die vom 20. bis 26. Februar 2025 durchgeführt wurde. Befragt wurden 2.375 wahlberechtigte Personen aus dem DeZIM.panel, darunter 600 mit und 1.756 ohne Migrationshintergrund. Die Analyse berücksichtigt die drei größten Herkunftsgruppen unter Wähler*innen mit Migrationshintergrund in Deutschland: MENA-Region/Türkei, EU sowie ehemalige Sowjetunion. Um Verzerrungen zu vermeiden, wurden die Daten gewichtet. 

Das Factsheet zum Download finden Sie hier. 

Für Fragen und für Interviews wenden Sie sich bitte an: 
Angie Pohlers 
Pressereferentin 
Mail: presse(at)dezim-institut.de 
Tel.: 030-200754-130