• Startseite/
  • Presse/
  • Wer in Deutschland wohnt, wohnt nicht gleich: Schwarze und muslimische Menschen besonders betroffen

Wer in Deutschland wohnt, wohnt nicht gleich: Schwarze und muslimische Menschen besonders betroffen

Eine neue Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) zeigt ein klares Muster: Rassistisch markierte Personen geben an, in allen Dimensionen des Wohnens – von der Wohnungssuche bis zum Leben in der Nachbarschaft – Diskriminierung zu erfahren.

Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis und bietet Schutz, Stabilität, Würde und gesellschaftliche Teilhabe. Gleichzeitig ist Wohnraum in Deutschland knapp und ungleich verteilt. Der neue NaDiRa-Monitoringbericht „Gewohnt ungleich: Rassismus und Wohnverhältnisse“ bietet erstmals eine umfassende Analyse, wie rassistisch markierte Personen in zahlreichen Dimensionen des Wohnens – vom Zugang zum Miet- und Immobilienmarkt über Wohnbedingungen (Wohnfläche, Qualität und Wohnumfeld), Eigentumsquoten und finanzielle Belastungen bis hin zu Infrastruktur und Lebensqualität im Wohnumfeld – Diskriminierung erfahren.

Der Bericht macht deutlich: Ungleiche Behandlung im Bereich Wohnen ist kein Randphänomen, sondern prägt die Erfahrungen vieler. Besonders häufig betroffen sind Schwarze und muslimische Menschen; auch weitere rassistisch markierte Gruppen wie asiatische oder osteuropäische Menschen sind überproportional betroffen – mit spürbaren Auswirkungen auf Gesundheit und Wohnzufriedenheit.

Die Analysen basieren auf repräsentativen Daten des NaDiRa.panels: Zwischen August 2024 und Januar 2025 wurden 9.512 Personen* befragt. Die Antworten wurden statistisch ausgewertet und unter anderem mit amtlichen Daten, etwa zu Umweltbelastungen, verknüpft. Ergänzend wurde ein Feldexperiment durchgeführt: Auf reale Wohnungsanzeigen wurden identische Bewerbungen verschickt – jeweils mit Namen aus Bevölkerungsgruppen der MENAT-Region**, aus afrikanischen Ländern (ohne Nordafrika), aus süd- und südostasiatischen Herkunftsregionen sowie mit „typisch“ deutsch klingenden Namen.

* Das NaDiRa.panel arbeitet mit Selbstidentifikation. Befragte können sich etwa als Schwarz, asiatisch, muslimisch oder osteuropäisch – im Bericht bisweilen zusammengefasst als „rassistisch markiert“ – sowie als Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund verorten. Es sind mehrere Auswahloptionen gleichzeitig möglich.
** Die MENAT-Region umfasst Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas sowie die Türkei.

Zentrale Ergebnisse der Studie

  1. Keine Einladung zur Besichtigung – das passiert Schwarzen und muslimischen Personen deutlich häufiger.
    Muslimische und Schwarze Menschen erleben deutlich häufiger, dass sie aufgrund von Diskriminierung nicht zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen werden. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 35 % bzw. 39 % berichten muslimische bzw. Schwarze Personen von solchen Erfahrungen. Bei nicht rassistisch markierten Personen liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur 11 %. 
    Auch beim Feldexperiment zeigen sich Hinweise für dieses Muster: Bei fiktiven Bewerber*innen mit deutsch klingenden Namen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Einladung bei 22 %, bei formal identischen Bewerbungen mit Namen aus der MENAT-Region lediglich bei 16 %.
     
  2. Rassistisch markierte Personen leben auf deutlich engerem Raum.
    Rassistisch markierte Personen leben im Durchschnitt auf wesentlich kleinerer Wohnfläche: Ihnen stehen im Durchschnitt 47 m² und 1,3 Zimmer pro Person zur Verfügung. Nicht rassistisch markierte Personen wohnen dagegen im Schnitt auf 69 m² und in 1,9 Zimmern pro Person. 
     
  3. Rassistisch markierte Personen leben häufiger in unsicheren Mietverhältnissen.
    Rassistisch markierte Menschen leben häufiger in unsicheren Mietsituationen als nicht rassistisch markierte Menschen. Dazu gehören befristete Verträge (12 % vs. 3 %), Indexmieten (21 % vs. 17 %) oder Staffelmieten (13 % vs. 9 %). Diese Vertragsformen erhöhen das Risiko steigender Kosten und einer geringen Planungssicherheit.
      
  4. Rassistisch markierte Personen tragen eine deutlich höhere finanzielle Belastung durch Wohnkosten.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass Personen in Deutschland durch ihre Wohnkosten überlastet sind, sprich 40 % oder einen größeren Anteil ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben, liegt insgesamt bei mindestens 30 %. Bei nicht rassistisch markierten Personen liegt diese Wahrscheinlichkeit bei 30 % und bei rassistisch markierten Personen bei 37 %. Damit steigt auch das Risiko von Wohnarmut: 36 % der rassistisch markierten Mieter*innen sind nach Abzug ihrer Wohnkosten armutsgefährdet, nicht rassistisch markierte Menschen sind zu 19 % gefährdet.
     
  5. Rassistisch markierte Personen berichten häufiger von Wohnraummängeln und sind häufiger höheren Umweltbelastungen ausgesetzt.
    Insgesamt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Mieter*innen in Wohnung mit Mängeln leben bei rund 50 %. Für rassistisch markierte Mieter*innen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 57 %, während sie bei nicht rassistisch markierten Mieter*innen 48 % beträgt. 
    Bei einer detaillierten Betrachtung der einzelnen Mängelarten treten deutliche Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen zutage. 27 % der muslimischen Befragten berichten von unzureichender Dämmung gegen Kälte (vs. 11 % bei nicht rassistisch markierten Personen). 20 % der muslimischen, 19 % der Schwarzen und 14 % der asiatischen Befragten berichten von Schimmelbefall, wohingegen nur 5 % der nicht rassistisch markierten Befragten davon berichten.
    Zur Überprüfung der Umweltbelastung wurden die Wohnortdaten der Befragten mit weiteren Daten verknüpft. Dabei zeigt sich, dass rassistisch markierte Personen häufiger höheren Umweltbelastungen, etwa in Form von höheren Stickstoffdioxidwerten in ihrem Wohnumfeld, ausgesetzt sind.
     
  6. Wer rassistisch markiert ist, wohnt seltener im Eigentum.
    Schwarze und muslimische Personen wohnen signifikant seltener im Eigentum. Nur 11 % bzw. 24 % der Befragten besitzen die Immobilie, in der sie leben. Bei nicht rassistisch markierten Personen trifft das auf 57 % der Befragten zu. Wohneigentum ist in Deutschland jedoch ein bedeutender Faktor für Vermögensaufbau und soziale Sicherheit.
     
  7. Trotz hohem Gefühl der Sicherheit, fühlen sich Frauen nachts in ihrer Nachbarschaft am unsichersten.
    Ein Großteil der Personen in Deutschland fühlt sich in ihrer Nachbarschaft sicher. Bei allen Befragten liegt die Wahrscheinlichkeit, sich tagsüber sicher in der eigenen Wohnumgebung zu fühlen, bei mindestens 81 %. Am höchsten ist dieser Wert mit 90 % bei nicht rassistisch markierten Personen, am niedrigsten mit 82 % bei muslimischen und 81 % bei asiatischen Personen.
    Ein deutlicher Unterschied zeigt sich zwischen den Geschlechtern: Unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen sich nachts in ihrer Wohnumgebung sicher fühlen, im Durchschnitt um rund zehn Prozentpunkte niedriger als bei Männern.
     
  8. Schwarze und muslimische Personen erleben deutlich häufiger Diskriminierung in ihrer Nachbarschaft als nicht rassistisch markierte Personen.
    Die Wahrscheinlichkeit, Diskriminierung in der Nachbarschaft zu erleben, liegt bei Schwarzen Befragten bei 23 %. Auch muslimische Personen sind überdurchschnittlich häufig betroffen: Die Wahrscheinlichkeit, in ihrem Wohnumfeld schlechter als andere behandelt zu werden – etwa durch Ignorieren, unfreundliche Ansprache oder Beschimpfungen – liegt bei 18 %. Unter nicht rassistisch markierten Personen liegt der Wert lediglich bei 6 %. 
     
  9. Geringere Wohnzufriedenheit und schlechte Wohnbedingungen stehen mit psychischem Stress im Zusammenhang.
    Insgesamt sind rassistisch markierte Gruppen weniger mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Besonders deutlich wird dies bei muslimischen Personen: Sie sind lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 % mit ihrer Wohnsituation zufrieden, verglichen mit 80 % der nicht rassistisch markierten Personen. Wer häufiger zur Miete lebt, eine höhere Wohnkostenbelastung trägt und vergleichsweise weniger Wohnraum zur Verfügung hat, verfügt über eine geringere Wohnzufriedenheit. 
    Personen, die mit ihrer Wohnsituation unzufrieden sind, haben zudem – über alle analysierten Gruppen hinweg – eine um rund 20 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, unter moderaten bis starken psychischen Stresssymptomen zu leiden als zufriedene Bewohner*innen (32 % der nicht Zufriedenen vs. 11 % der voll Zufriedenen).


Dr. Noa K. Ha, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des DeZIM-Instituts: „Wohnen in Deutschland ist eine der wichtigsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Vor dem Hintergrund dieser angespannten Lage müssen unsere Ergebnisse gelesen werden: Wir finden sowohl gruppenübergreifende Tendenzen als auch Aspekte, die bestimmte Gruppen stärker betreffen. Wohnen ist ein zentraler Lebensbereich, in dem sich gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe entscheidet. Gerade in Zeiten knapper Wohnraumversorgung zeigen diese Befunde auf, dass es in diesem Bereich erheblichen Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft gibt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“

Dr. Cihan Sinanoğlu, Leiter am Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor„Der NaDiRa hat den Auftrag, Ungleichheiten in zentralen Lebensbereichen systematisch und empirisch sichtbar zu machen. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Belastungen des Wohnens breite Teile der Bevölkerung betreffen. Zugleich werden in mehreren Bereichen Unterschiede zwischen rassifizierten und nicht rassifizierten Gruppen deutlich: beim Zugang zum Wohnungsmarkt (z. B. Einladungen zu Besichtigungen), bei Wohnfläche, Kostenbelastungen, Vertragsformen, Wohnmängeln, Umweltbelastungen sowie bei den Chancen auf Eigentum. Diese Muster lassen sich nicht allein auf soziale Lage zurückführen, sondern entstehen häufig im Zusammenspiel von ökonomischen Bedingungen und zugeschriebenen Gruppenmerkmalen. Gerade angesichts eines angespannten Wohnungsmarktes sind solche differenzierten und empirischen Befunde wichtig: Sie zeigen, wo strukturelle Mechanismen fortbestehen und wo politische Maßnahmen gezielt ansetzen sollten.“

Den gesamten Bericht als Download finden Sie hier

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:  
Mail: presse[at]dezim-institut.de 
Tel.: 030 / 200 754 -130