Publikationstyp: DeZIM Research Notes 4
Teilhabe ohne Teilnahme? Wie Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund in der bundesdeutschen Elite vertreten sind
AutorInnen: Vogel, Lars; Zajak, Sabrina Publikationsjahr: 2020

• Auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung sind Ostdeutsche mit 10,1 Prozent seltener in Elitepositionen vertreten, als es ihrem Anteil von 19,4 Prozent an der Bevölkerung entspräche.
• Zwischen einzelnen gesellschaftlichen Bereichen gibt es dabei große Unterschiede. In der Politik sind Ostdeutsche ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend gut in Elitepositionen vertreten. In Wirtschaft und Wissenschaft, Justiz und Verwaltung sowie in Kultur und Medien sind sie hingegen stark unterrepräsentiert.
• Menschen mit Migrationshintergrund (MMig) sind mit 9,2 Prozent noch seltener in Elitepositionen vertreten, als es ihrem Anteil von 26 Prozent an der Bevölkerung entspräche. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – allerdings andere Unterschiede als bei Ostdeutschen. So sind Menschen mit Migrationshintergrund in den Bereichen Religion und Kultur kaum bzw. nur leicht unterrepräsentiert. Auch in Wirtschaft und Medien sind Menschen mit Migrationshintergrund seltener in Elitepositionen vertreten, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspräche. Ostdeutsche sind aber noch stärker unterrepräsentiert.
• Dass Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund in vielen Bereichen selten und in manchen etwas häufiger in der Elite zu finden sind, verweist auf unterschiedliche Rekrutierungswege sowie Aufstiegschancen und -hindernisse in einzelnen Branchen und Bereichen.
• Die Bevölkerung nimmt wahr, dass Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund seltener in Elitepositionen vertreten sind, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspräche, und sieht das als Problem an. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage äußerten fast drei Viertel die Meinung, der geringe Anteil Ostdeutscher bzw. von Menschen mit Migrationshintergrund an der Elite sei ein Problem, weil Ostdeutsche bzw. Menschen mit Migrationshintergrund die Interessen
und Bedürfnisse der jeweils eigenen Gruppe am besten vertreten könnten. Kaum jemand glaubt hingegen, dass diese Unterrepräsentation nur am mangelnden Aufstiegswillen liegt. Ein Unterschied zeigt sich aber in den Schlussfolgerungen, welche die Bevölkerung aus diesem Befund zieht: Spezielle Fördermaßnahmen für Ostdeutsche befürwortet die Bevölkerung etwas häufiger als solche Maßnahmen für Menschen mit Migrationshintergrund.
• Ostdeutsche, die wahrnehmen, dass Ostdeutsche in den Eliten unterrepräsentiert sind, fühlen sich selbst häufiger als Bürger zweiter Klasse. Unter den Menschen mit Migrationshintergrund gibt es diesen Zusammenhang so nicht.
• In Bezug auf Ostdeutsche zeigt sich damit eine Möglichkeit zur politischen Intervention. Gelingt es, den Anteil Ostdeutscher in Elitepositionen zu erhöhen – oder zumindest entsprechende Anstrengungen glaubhaft zu vermitteln –, könnte das Gefühl kollektiver Benachteiligung („Bürger zweiter Klasse“) verringert werden. Denn der geringe Anteil Ostdeutscher an Elitepositionen macht eigene Benachteiligungsgefühle greifbar.
• Nicht jede Maßnahme, um das zu ändern, findet in der Bevölkerung jedoch im gleichen Maße Unterstützung. So findet eine gesetzliche Quote, um den Anteil unterrepräsentierter Gruppen in Elitepositionen zu erhöhen, wenig Anklang. Maßnahmen, die auf Förderung zielen, finden dagegen breite Unterstützung. Unterrepräsentierte Gruppen sollten also explizit durch solche Maßnahmen als Zielgruppen angesprochen werden. Dass Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund seltener in Elitepositionen vertreten sind, als es ihrem jeweiligen Anteil an der Bevölkerung entspräche, sieht die Bevölkerung nahezu als gleich problematisch an. Spezielle Maßnahmen für Ostdeutsche sollten daher ein Teil breiter angelegter Bemühungen sein, Eliten grundsätzlich vielfältiger zu gestalten. Nur dann werden solche Maßnahmen von einer Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.
ISBN: 9783948289065 Open Access