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Blumen und Brandsätze: Wie können wir Geflüchtete wieder willkommen heißen?
Mittwoch, 04. September, 18:00 - 20:00 Uhr
DeZIM Saal, 3. OG
DeZIM-Institut, Mauerstr. 76, 10117 Berlin
Zwei Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, am 4. September 2024, luden die Abteilung Migration und die Fachgruppe „Demokratieförderung und demokratische Praxis“ des DeZIM, zu einer Diskussion über die Möglichkeiten eines differenzierten Diskurses und Umgangs mit Geflüchteten in Politik und Öffentlichkeit ein. Indem alle großen Parteien in den beiden Bundesländern – wenn nicht bundesweit – eine restriktivere Politik gegenüber Geflüchteten versprachen, so antizipierten und verstärken sie eine Stimmung in der Bevölkerung, die die Aufnahme und Integration von Schutzsuchenden ablehnt. Doch weder aktuell noch historisch waren die Einstellungen gegenüber Geflüchteten immer und überwiegend negativ. Um zu diskutieren, wie eine differenziertere Debatte zum Thema Flüchtlingsschutz, wenn nicht gar eine erneuerte Willkommenskultur, möglich sein könnte, sprachen wir mit dem Historiker Prof. Klaus Neumann und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Magdalena Hess (Aktivistin und Influencerin aus Dresden), Manfred Ossenbeck (Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen) und Dave Schmidtke (Sächsischer Flüchtlingsrat).
Nach einer kurzen Begrüßung durch Co-Gastgeber Dr. J. Olaf Kleist (DeZIM) stellte Neumann zentrale Befunde seines kürzlich erschienenen Buchs „Blumen und Brandsätze: Eine deutsche Geschichte 1989-2023“ vor. Er trug Passagen über kommunalpolitische Auseinandersetzungen über die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten in Hamburg-Altona einerseits und in Südsachsen andererseits vor. Dabei machte er deutlich, dass gleichermaßen in Ost- wie in Westdeutschland sowohl generelles Verständnis für die Aufnahme bestand, aber dies in der eigenen Nachbarschaft skeptisch gesehen wurde. Dabei unterschieden sich vor allem die Mittel der Abwehr anhand der sozialen Möglichkeiten und politischer Vernetzung.
In der folgenden Diskussion, die von Co-Gastgeberin Dr. Ramona Rischke moderiert wurde, betonte Ossenbeck, als Vertreter Hamburger Organisationen der Flüchtlingshilfe, dass die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung betont werden müsse, um einen positiveren und konstruktiveren Umgang zu begründen. Zugleich müsse aber auch eine leichte Abnahme und eine zunehmende Erschöpfung in der Szene der Flüchtlingshilfe konstatiert werden.
Schmidtke hob hervor, dass in Sachsen vor allem eine Bedrohung und finanzielle Herausforderung die Zivilgesellschaft unter Druck setze und den Einsatz für Geflüchtete nicht nur erschwere, sondern auch zunehmend gefährlich mache. Dabei gebe es keine generelle Ablehnung von Geflüchteten aber doch ein zunehmend aggressiver Rassismus in der sächsischen Gesellschaft. Die engagierte Zivilgesellschaft stelle den demokratischen Rückhalt dar, die durch den Rechtsruck in der Politik jedoch finanziell und administrativ aktiv unter Druck gesetzt werde.
Hess bestätigte diese Einschätzung der gesellschafts-politischen Ablehnung von Geflüchteten, die sich auch in den Sozialen Medien so widerspiegele. Hier werde sehr gezielt gegen nicht-europäische und auch ukrainische Geflüchtete Stimmung gemacht. Dies werde von rechtsextremen Influencern und Parteien als Teil einer Strategie zur in Fragestellung demokratischer Normen betrieben. Diese würden die Funktionsweise etwa von TikTok sehr gut beherrschen, während demokratische Akteure hier noch großen Nachholbedarf hätten. Hier sollte angesetzt werden, um den Falschinformationen über Geflüchtete in den Sozialen Hilfen nicht nur bei Jugendlichen entgegenzuwirken.
In der anschließenden Diskussion wurde der Stellenwert der Zivilgesellschaft für einen konstruktiven Umgang mit Geflüchteten besprochen. Während diese im Osten resilient aber zunehmen bedroht sein, würden im Westen die Stimmen, die sich für Geflüchtete einsetzen, zunehmend verstummen. Neumann hob mit Hinweis auf sein Buch hervor, dass der wesentliche Unterschied zu der Asyldebatte der 1990er Jahre darin bestehe, dass sich damals ein breites bürgerliches Bündnis gegen die Asylrechtsreform einsetzte – dieses Bündnis sei heute nicht existent, weder im Osten noch im Westen. Was mit Blick auf die Geschichte aber deutlich werde, ist dass Bewegungen für die Rechte von Geflüchteten in der Regel in Protesten von oder zumindest mit Geflüchteten ihren Ausgang hatten. Heutige Politiken der Isolierung von Geflüchteten mache diese inzwischen enorm schwierig – den Versuch sich für demokratische Rechte von Geflüchteten einzusetzen aber nicht vergeblich.
Unsere Gäste:
- Prof. Klaus Neumann – Autor des Buches “Blumen und Brandsätze”
- Magdalena Hess – Aktivistin und Influencerin aus Dresden, Mitinitiatorin von #ReclaimTikTok
- Manfred Ossenbeck – Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen
- Dave Schmidtke – Sächsischer Flüchtlingsrat
- Moderation: Dr. Ramona Rischke, DeZIM-Institut
- Begrüßung: Dr. J. Olaf Kleist, DeZIM-Institut