Zugangswege: Ziele, Wechselwirkungen und ihre Folgen
Abteilung Migration
Projektleitung: Dr. Ramona Rischke , Dr. Zeynep Yanaşmayan
Projektkoordination: Dr. Marcus Engler , Dr. Pau Palop-García
Im nationalen und europäischen Recht regeln komplexe gesetzliche Vorschriften sowie administrative Abläufe und Infrastrukturen den „regulären“ Zugang zum Territorium und damit verbunden zu jeweils spezifischen Rechten für unterschiedliche Gruppen von Migrant*innen und Schutzsuchenden. Es ist seit Langem ein formuliertes politisches Ziel (z.B. im Koalitionsvertrag, im EU-Migrations- und Asylpakt sowie im Globalen Migrationspakt) „irreguläre“ durch „reguläre“ Migration zu ersetzen. In welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen dies gelingen kann, ist jedoch umstritten. Über die unterstellte Dichotomie von regulärer und irregulärer Migration hinaus sind insbesondere die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Migrationskanälen (u.a. verschiedene Formen von Arbeitsmigration, Bildungsmigration, Familienmigration, humanitärer Migration) von Bedeutung und nicht ausreichend erforscht. Das Projekt zielt darauf ab, die Erkenntnisse bezüglich bestehender Wechselwirkungen unter Verwendung unterschiedlicher Methoden und Fallstudien auszuweiten. Zugrunde gelegt wird eine intersektionale Perspektive, durch die Faktoren wie zum Beispiel Geschlecht, Alter, Familienkonstellationen, Nationalität und sozioökonomischer Hintergrund in die Analyse einbezogen werden. Die Relevanz des Projekts liegt auch darin begründet, dass auf allen politischen Ebenen derzeit Prozesse mit erheblichem Veränderungspotenzial zu beobachten sind.
Das Projekt wird in mehreren Teilmodulen umgesetzt. Es ist zudem so angelegt, dass es mit neuen oder angepassten Modulen auf aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen eingehen kann.
1. Modul Policy Monitoring & Wissensaustausch
Das erste Modul beinhaltet ein kontinuierliches Monitoring und die Dokumentation von projektrelevanten flüchtlings- und migrationspolitischen Debatten und Entscheidungen. Der Fokus liegt auf Deutschland. Es werden aber auch relevante Entwicklungen auf der EU-Ebene sowie in anderen europäischen Staaten einbezogen. Im Rahmen dieses Moduls kommentieren wir regelmäßig aktuelle Entwicklungen in der Migrationspolitik und beteiligen uns an unterschiedlichen Diskussions- und Transferformaten.
2. Modul Komplexität in der deutschen Migrationspolitik
Dieses Modul wird die Entwicklung der Komplexität des deutsches Migrationsrechts quantitativ untersuchen. Wir werden uns auf die Migrationsregeln (z.B. im deutschen Aufenthaltsgesetz) konzentrieren mit dem Ziel, (1) Indikatoren zu entwickeln, um die Komplexität der Migrationsregeln im Laufe der Zeit zu messen, und (2) zu untersuchen, wie sich die Komplexität des deutschen Migrationsrechts von 1990 bis 2025 entwickelt hat. Somit besteht der Hauptbeitrag dieses Moduls darin, die notwendigen methodischen Werkzeuge zu entwickeln und zu testen, die erforderlich sind, um die Komplexität im Kontext der Migrationspolitik zu messen. Wir werden zudem untersuchen inwieweit die Wirksamkeit von Migrationspolitik, etwa zur Gewinnung von Fachkräften, nicht nur durch die Prozesse der Umsetzung oder der inhaltlichen Gestaltung der Vorschriften beeinflusst wird, sondern auch durch die in den Vorschriften eingebettete Komplexität.
3. Modul „Migration Diplomacy“ - Migrationsabkommen
Ein drittes Modul untersucht die Auswirkungen der Migrationssteuerung und der Wechselwirkungen zwischen Migrationskanälen am Beispiel von Migrationsabkommen im Zusammenhang mit der Arbeits- und Asylmigration. In der politischen Diskussion und der Literatur wurde häufig die sogenannte Westbalkanregelung als erfolgreiches Modell dafür herangezogen, dass irreguläre Migrationsbewegungen in reguläre umgeleitet werden können. Empirische Analysen der Westbalkanregelung kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Kausalitäten hinsichtlich einer Umleitung von Migrationsbewegungen (mehr Erwerbs- und weniger Asylmigration) nicht eindeutig rekonstruierbar und quantifizierbar sind. Die Strategie der Bundesregierung fokussiert nunmehr darauf einen Umsteuerungseffekt im Rahmen von Migrationsabkommen zu erreichen. Erste Abkommen wurden seit Ende 2022 abgeschlossen (z.B. Indien, Georgien, Kenia, Usbekistan), weitere sind in Vorbereitung. Im Rahmen dieses Moduls sollen unterschiedliche Migrationsabkommen hinsichtlich ihrer Zielsetzungen und Ausgestaltung verglichen werden (Inhaltsanalyse).
4. Modul Regularisierung in der Praxis: Umsetzung Chancenaufenthaltsgesetz
Das Chancenaufenthaltsgesetz, das seit 31.12.2022 in Kraft ist, bietet einen Weg zum Bleiberecht für geduldete Personen, die sich mindestens seit fünf Jahren in Deutschland aufgehalten haben. Es ist von entscheidender Bedeutung zeitnah sowohl die Umsetzung der Erteilung der Chancenaufenthaltstitel zu untersuchen als auch zu überprüfen, inwieweit die Regelung tatsächlich eine langfristige bzw. dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland erzeugt. Fallstudien über Regularisierungsprogramme in anderen europäischen Ländern haben gezeigt, dass Migrant*innen oft vor große Herausforderungen gestellt sind, wenn sie die Voraussetzungen für den längerfristigen Aufenthaltstitel erfüllen möchten. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird auch in diesem Modul die Frage forschungsleitend sein, inwiefern Migrant*innen den neuen Status erhalten und in einen langfristigen oder dauerhaften Aufenthaltstitel überführen können und warum (nicht). Um unsere Forschungsfrage anzugehen, werden wir quantitative und qualitative Daten aus verschiedenen Quellen kombinieren, einschließlich statistischer Daten zur Anzahl der Anträge, Positionspapiere, halbstrukturierter Interviews mit Migrant*innen, die den Antragsprozess durchlaufen (haben), sowie mit Akteuren in den Ausländerbehörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, und Rechtsberatungsstellen (z.B. die Beratungsstelle der Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration). Wir werden besonders untersuchen, wie sich die Regulierung auf vulnerable Gruppen wie alleinerziehende Mütter auswirkt.
5. Modul Fachkräfteeinwanderung
Deutschland ist mit einem zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangel konfrontiert. Trotz dieser Probleme gehört Deutschland nicht zu den Ländern, die ein besonders attraktives Umfeld für qualifizierte Migrant*innen bieten (OECD-Indikatoren für die Attraktivität von Talenten (ITA)). Um den Fachkräftemangel zu reduzieren, und mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, hat die Bundesregierung im Jahr 2023 das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ verabschiedet. Wie in der Begründung des Gesetzes ausgeführt, besteht das Hauptziel des Gesetzes darin, die Einwanderung von Fachkräften mit unterschiedlichem Qualifikationsprofilen nach Deutschland zu erleichtern. Das Gesetz reiht sich ein in einen längerfristigen Liberalisierungsprozess der deutschen Arbeitsmigrationspolitik. Dieses Modul wird die Umsetzung dieses Gesetzes verfolgen, insbesondere die Einführung der sogenannte Chancenkarte, das erste punktebasiertes System zur Steuerung der Arbeitsmigration in Deutschland. Die Schaffung dieses Systems könnte eine große Veränderung für das deutsche System der Arbeitsmigration bedeuten. Das beschlossene Modell beinhaltet jedoch einige Vorgaben und Einschränkungen, die in der praktischen Umsetzung der Chancenkarte Hindernisse darstellen könnten. Mithilfe statistischer Daten werden wir untersuchen, wie viele Migrant*innen durch die Chancenkarte nach Deutschland gekommen sind und wie viele in Deutschland geblieben sind. Zusätzlich geplant sind semistrukturierte Interviews mit Inhaber*innen der Chancenkarte sowie weiteren relevanten Akteur*innen. Ziel der Interviews ist es Erfahrungen im Umsetzungsprozess zu erfassen und ggfs. Verbesserungspotentiale zu identifizieren.
Veranstaltungen im Rahmen des Projektes
, Lunch_Discussion: Was bedeutet die Bundestagswahl für das Einwanderungsland Deutschland?
Auf dem Weg zu einem „modernen Einwanderungsland“?, Zum Stand des „Paradigmenwechsels“ in der Migrationspolitik.
Förderung: Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Institutionelle Förderung)